LESERINNENBRIEFE
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Danke für Ihren Mut!

■ betr.: Margot Käßmann und der Krieg in Afghanistan

In der Historie der Kirche – evangelisch wie katholisch – gibt es kaum Hinweise, dass sie sich jemals gegen Kriege durch die jeweils ausgeübte politische Macht gestellt hätte, ganz im Gegenteil. Die Religionskriege liegen lange zurück, doch Papst Pius XII. agierte später mit Stillhaltetaktik, als Deutschland Polen überfiel, denn er hätte es lieber Seit’ an Seit’ mit Polen im Kampf gegen den russischen Kommunismus gesehen. Nach dem Fall Frankreichs hatte er sich bei Hitler bedankt für „das Werk der moralischen Wiedergeburt“. Kriege waren und sind oft moralisch untermauert worden. Auch heute, nach einem moralisch begründeten Krieg gegen Jugoslawien, sind wir Deutsche wieder mit derlei Kriegsbegründungen unterwegs, wollen in Afghanistan Frauen die Burka vom Kopf reißen und dort unsere „Demokratie“ gewaltsam aufs Auge drücken oder Brunnen bauen, lautet die Begründung. Alles in allem werden diese Kriege aus geopolitischen Gründen geführt, um vorgeblich die „lebenswichtigen Interessen der Mitgliedsstaaten außerhalb des Nato-Vertragsgebiets zu schützen. Das kann eben schon mal alles Mögliche sein. Von den sogenannten christlichen Parteien ist man die Unterstützung derlei Kriegsgeschreis ohnehin gewohnt. Inzwischen übrigens auch von den Grünen. Doch spätestens Ende 1980 – also jetzt vor 30 Jahren – wurde die SPD mit der FDP zur Kriegspartei: Am 10. Dezember 1980 ebnete Bundeskanzler Helmut Schmidt mit den Unterschriften von Hans-Dietrich Genscher und Hans Apel grundrechts- und völkerrechtswidrig den Weg für „Nato-Kriege in der Dritten Welt“ und damit für die nächsten „zwei, drei Vietnams“ durch die „Verfügbarkeit von Transiteinrichtungen“ für Militäreinsätze. Und damit all diese Kriege nicht als Kriege in unsere Köpfe gehen, findet am 21. Januar vor dem Kölner Dom wieder ein Soldatengottesdienst statt, um unsere mutigen und tapferen Kämpfer für Frieden und Freiheit zu segnen. Und weil eben offenbar wieder niemand auf die Barrikaden gegen die anhaltende kriegslüsterne Gehirnwäsche geht, haben Sie besonderen Mut gezeigt. Bleiben Sie dabei und kämpfen Sie für einen Abzug unseres Militärs aus Afghanistan und anderswo und fordern Sie die Menschen zum politischen Widerstand dagegen auf! HANS-DIETER HEY, Köln

Pfarrer geordnet abziehen

■ betr.: „Soldaten fürchten um kirchlichen Rückhalt“, „Rückkehr des Radikalpazifismus?“, taz vom 5. 1. 10

Frau Käßmann lehnt neben ihrer Kritik am Afghanistankrieg einen Abzug der Militärseelsorger ab – mit der ältesten Ausrede, mit der die Kirche schon immer ihre Teilnahme an Kriegen gerechtfertigt hat: Man begleite ja Menschen. Nähme sie ihre eigene Kritik ernst, würde sie endlich die Pfarrer abziehen. Meinetwegen auch geordnet.

Leider geht in der Debatte um ihre beiden Reden unter, dass sie auch darauf verwiesen hat, dass Deutschland drittgrößter Rüstungsexporteur ist. JÖRG RUPP, Malsch

Es geht um Verantwortung

■ betr.: „Rückkehr des Radikalpazifismus?“, taz vom 5. 1. 10

Philipp Gessler sieht „gute Gründe“ dafür, dass sich die Kirche „grundsätzlich gegen den Krieg“ positionieren sollte. Nun grübele ich über die Bedeutung des Wortes „grundsätzlich“ (also eben nicht ausnahmslos?) und darüber, ob es denn gute Gründe für Krieg oder Waffengewalt geben kann. Sicherlich gibt es überzeugende Gründe für militärisches Eingreifen in Afghanistan. Gut jedoch können diese nicht sein, weil sie für jene, die im Einsatz sind, aber auch jene, die den Einsatz zu verantworten haben, zwangsläufig ein ethisches Dilemma bedeuten: Es muss Menschen geradezu seelisch zerreißen, wenn sie Menschen töten, um Menschen zu helfen, wenn die als Helfer Gekommenen erleben müssen, dass sie angefeindet, angegriffen und getötet werden respektive töten müssen. Gewiss, Margot Käßmann hat recht mit ihrer Forderung, nach Alternativen zum Waffeneinsatz zu suchen. Das Problem ist nur, dass sie diese Alternativen vollkommen unberechenbaren Gegenübern darlegen muss, die teils von religiöser Verblendung, teils von bloßer krimineller Energie, teils von schlichtem Machtstreben getrieben werden.

Nein, die Kirche soll ebenso wenig Panzer segnen wie sie jungen Frauen und Männern vorgaukeln darf, in einer schein-heiligen Mission zu dienen. Statt aber mit von Transzendenz inspirierten Phantasien zu hantieren, kann Kirche jedem Einzelnen seine persönliche Verantwortung darlegen: Es gibt in dieser Welt kein Entkommen von Schuld, wie die Bischöfin entgegen aller lutherischen Lehre vorgaukelt. Das Kainsmal der Schuld ziert die Stirnen militärisch Handelnder ebenso wie jener, die das Schießen lieber allein der Gegenseite überlassen. Es geht nicht um Phantasie. Es geht um Verantwortung. ROLAND BÖSKER, Major der Reserve, Bremen

Eine eigene Meinung haben

■ betr.: „Soldaten fürchten um kirchlichen Rückhalt“, taz v. 5. 1. 10

Dirk Niebel (FDP) sagte: „Frau Käßmann darf eine eigene Meinung haben. Sie sollte ihre Kritik am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr aber nicht für die evangelischen Kirchenmitglieder äußern.“ Und ich sage: Herr Niebel darf eine eigene Meinung haben. Er sollte aber seine kurzsichtige Umfunktionierung der Entwicklungshilfe in ein Adjuvans der Wirtschaftspolitik nicht für alle Wähler der schwarz-gelben Koalition vornehmen. Und: Der Papst darf eine eigene Meinung haben. Er sollte seine Kritik an Verhütung und Schwangerschaftsabbruch aber nicht für die katholischen Kirchenmitglieder äußern.

LOTHAR PICHT, Sandhausen