NSU-Helfer war Polizeispitzel: Der Innensenator schwieg

Ein Mann aus dem NSU-Umfeld lieferte dem Berliner LKA jahrelang Informationen. Frank Henkel informierte den Untersuchungsausschuss nicht.

Wahrscheinlich zerknirscht: Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU). Bild: dapd

BERLIN taz | Der mutmaßliche NSU-Helfer Thomas S. war Spitzel des Landeskriminalamtes Berlin. Mehr als zehn Jahre lang führte das LKA nach taz-Informationen den heute 44-Jährigen als „Vertrauensperson“ in der Staatsschutzabteilung, von Ende 2000 bis Anfang 2011.

Zwischen 2001 und 2005 soll er auch Informationen zu dem Trio geliefert haben. Bereits im Jahr 2002 soll er einen Hinweis gegeben haben, der zu einer Kontaktperson und möglicherweise dem Aufenthaltsort des Terrortrios hätte führen können. Die drei Bombenbastler wurden damals noch per Haftbefehl gesucht. Ob das Berliner LKA die Informationen damals an andere Sicherheitsbehörden weitergab, ist unklar. Ebenso im Dunkeln bleibt, was S. dem LKA noch über das Trio erzählt hat.

Das Land Berlin hat diese brisante Information lange zurückgehalten. Die Bundesanwaltschaft erfuhr erst am 20. März 2012 davon. Nachdem sie keine Gefährdung der laufenden Ermittlungen mehr sah, informierte sie Ende Juli den Ermittlungsbeauftragten des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages. Dieser setzte am Donnerstag die AUsschussmitglieder in Kenntnis.

Die Opfer verhöhnt

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) schickte eilig ein kurzes Schreiben, in dem die Sache bestätigt wurde. Die Abgeordneten reagieren fassungslos: Mit diesem Vorgehen würden „die NSU-Opfer verhöhnt“, sagte die Obfrau der Linkspartei im Untersuchungsausschuss, Petra Pau.

„Es ist schon ein starkes Stück, dass Herr Henkel es nicht für nötig befunden hat, den Ausschuss zu informieren“, sagt Eva Högl, SPD-Obfrau im Ausschuss. Henkel müsse nun dringend die Akten zur Verfügung stellen, „damit wir einen eigenen Eindruck gewinnen können“, forderte auch FDP-Obmann Hartfrid Wolff. Immer wieder hatten die Abgeordneten nachgefragt: Gibt es V-Leute unter den mutmaßlichen NSU-Unterstützern? Die Antwort war stets: Nein.

Die Berliner Polizei hat sich erst im Frühjahr wieder an Thomas S. erinnert. Am 7. März bekam das LKA vom BKA eine Sammlung von Bildern der 13 Beschuldigten im NSU-Verfahren zugeschickt, wie die taz aus Sicherheitskreisen erfuhr. Ein V-Mann-Führer erkannte Thomas S. als seinen früheren Informanten. Henkel erfuhr kurze Zeit später von dem Treffer. Das räumte er am Freitagnachmittag in einer Besprechung mit den innen- und justizpolitischen Sprechern des Abgeordnetenhauses ein. Er habe die Öffentlichkeit wegen laufender Ermittlungen nicht früher informieren wollen.

Nach taz-Informationen ist beim LKA nur eine dünne Akte zu Thomas S. angelegt. Die Mehrzahl seiner Informationen soll sich auf den Zeitraum 2005 bis 2011 bezogen haben, Bereich: rechtsextreme Musik. Diese Hinweise haben offenbar aber nicht viel getaugt. S. hat für seine Dienste wenige hundert Euro bekommen.

Henkel sagte, es habe „höchste Priorität, dass wir die Zusammenhänge schnell und lückenlos aufklären“. In den Fokus gerät nun auch sein Vorgänger Ehrhart Körting (SPD), der von 2001 bis 2011 Innensenator war. Körting müsse vor dem NSU-Ausschuss aussagen, fordert CDU-Obmann Clemens Binninger.

„Körting droht in die Position des Dorfrichters Adam zu kommen“, sagt Grünen-Obmann Wolfang Wieland in Anspielung auf den „Zerbrochenen Krug“ von Heinrich von Kleist. In dem Lustspiel muss der Dorfrichter Adam über eine Tat zu Gericht sitzen, die er selbst begangen hat. Körting gehört der vierköpfigen Bund-Länder-Kommission an, die untersuchen soll, wo der Informationsfluss zwischen Bundes- und Landesbehörden in puncto NSU geklemmt hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.