118-122 Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess II: Der Präsident und der Haudegen

Nachdem Präsident Murwanashyaka dem Alkohol entsagte, hielt Militärführer Mudacumura ihn für ein Weichei. Enthüllungen aus dem Innenleben der FDLR Teil II.

Journalisten interviewen einen verwundeten FDLR-Rebellen. Bild: reuters

STUTTGART taz | „Wie die FARDC (Kongos Armee) sich von der FDLR abwandte, so hat auch die FDLR den Inhalt der Telegramme geändert“, sagt Zeuge X, ein ehemaliges hochrangiges Mitglied der Eskorte des FDLR-Militärchefs im Kongo, General Sylvestre Mudacumura. Er hat zuvor bestätigt, dass dieser Strategiewechsel Inhalt von Telegrammen der FDLR-Militärführung an ihre Soldaten war.

Als Präsident ist Murwanashyaka gegenüber Mudacumura weisungsbefugt, stellt X klar. „Bei den FDLR-Gesetzen gibt es den Präsidenten und 2 Vizepräsidenten, sie dürfen allen Soldaten Befehle erteilen“.

Das Oberkommando des militärischen FDLR-Flügels FOCA (Forces Combattantes Abacunguzi) wird von General Mudacumura geführt. Es ist in der FDLR-Struktur aber der politischen Führung untergeordnet.

„Der Präsident befehligt“

In der Diskussion über den berüchtigten Befehl an „alle FDLR-Einheiten“, eine „humanitäre Katatrophe“ unter der kongolesischen Zivilbevölkerung anzurichten, führt X das so aus: „Der FDLR-Präsident befehligt den FOCA-Kommandeur, dass er eine solche Nachricht schickt, oder der Präsident kann die Nachricht selbst schicken.

Der Präsident kann Befehle erteilen, der FOCA-Kommandeur kann Bezug nehmen auf den Befehl des Präsidenten, oder Mudacumura kann so eine Anweisung erteilen und schickt die Anweisung als Vorschlag an den Präsidenten, ob er die Anweisung geben darf.“

Murwanashyaka musste also gewissermaßen die Handlungsvorschläge seiner Militärs absegnen. Er habe „abgelehnt oder zugestimmt“, so X. Ablehnungen konnte man aber ignorieren.

2009, nach der kongolesisch-ruandischen Militäroperation „Umoja Wetu“ gegen die FDLR, also im Zeitraum, um den es in der Anklage geht, sei die Auslandsführung nicht mehr in Befehle involviert gewesen, sagt X. „Wenn Angriffe durchgeführt wurden, haben die Führer im Ausland später davon erfahren. Nach Umoja Wetu haben die Führer im Ausland nichts gesagt und es nicht entschieden.“

Streit um Geld

Vielleicht war auch das schwierige persönliche Verhältnis zwischen Murwanashyaka und Mudacumura ein Faktor. X war dabei, als Murwanashyka 2005 und 2006 die FDLR-Truppen im Kongo besuchte, unter anderem um Geld zu überbringen. Murwanashyaka habe Mudacumura einen Computer gebracht und ihm erklärt, wie man den benutzt, erinnert sich X.

Es gab so einige Spannungen in dieser Zeit, von denen X zu berichten weiß. Mudacumura habe sich geweigert, das von Murwanashyaka mitgebrachte Geld – es kam wohl von Kongos Regierung - an die Soldaten weiterzugeben, worauf es mehrere Abspaltungen von der FDLR gegeben habe.

Nach den – erfolglosen – Verhandlungen, die die italienische Kirchengemeinde Sant'Egidio Anfang 2005 mit der FDLR führte, deren Ergebnis eines bedingten Kriegsendes der Miliz aber nie umgesetzt wurde, starb Mudacumuras Vize Mutombo, der an diesen Verhandlungen teilgenommen hatte, unter ungeklärten Umständen. Er sei von einer Brücke gefallen, hieß es. Aber „man sagte auch, dass er vergiftet wurde“. Bekanntlich gab es 2005 einen Führungsstreit in der FDLR, bei dem sich Murwanashyaka schließlich als Vertreter einer harten Linie durchsetzte.

Murwanashyaka trank nicht mehr

Beim ersten Besuch Murwanashyakas bei Mudacumura im Feld 2005 hätten die beiden noch miteinander Whisky getrunken, erinnert sich X. Beim zweiten Besuch 2006 aber war Murwanashyaka „christlich gesinnt“ und trank nicht mehr. Das ärgerte Mudacumura. „Wenn ein Hund nicht mehr Fleisch essen kann, ist er tot“, habe der FDLR-Militärchef über seinen Präsidenten gelästert.

X erläutert: „Er meinte: wenn Murwanashyaka anfängt, sich zu ändern, ändern sich auch die Gedanken“. Zur Probe sei ein FDLR-Leutnant wurde, ohne dass Murwanashyaka es befohlen hatte. Nachträglich habe Murwanashyaka aber zugestimmt.

Nach diesem unglücklich verlaufenen Besuch von 2006 habe Murwanashyaka ein Telegramm geschickt, „dass wir mit den Zivilisten sehr gut zusammenleben sollten wie die Fische im Wasser; Wenn wir nicht gut mit den Zivilisten leben, werden wir nie unser Ziel erreichen“. Die Militärs im Busch „haben es akzeptiert, aber sie haben es nicht umgesetzt... sie hießen es nicht gut, dass er nicht mit ihnen reden will sondern Gebete vorzieht“.

„Er hört nicht zu“

Über Mudacumura erzählt X allgemein: „Er hört nicht zu und hört nicht auf jene, die ihn beraten, er wird schnell wütend und ignoriert andere Leute“.

Und als schließlich Murwanashyaka 2009 in Deutschland verhaftet wurde, sei die Reaktion in der Truppe so gewesen: „Ob Zivilisten oder Soldaten – überall sprachen sie und sagten: jetzt wo Murwanashyaka verhaftet ist, was werden die Betrüger machen?“ Gemeint war das Oberkommando um Mudacumura. Ja, „für die FDLR war Murwanashyaka ein Hoffnungsträger“.

Mehr zum Thema in Teil I: Zeuge X über die Kriegsstrategie der FDLR

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.