Fukushima-Folgen werden verdrängt: Japan isst verstrahlten Fisch

Der Fang aus dem Meer in der Nähe Fukushimas ist radioaktiv belastet. Die Japaner glauben, dass der Staat stark belastete Ware aus dem Verkehr zieht.

Leuchtet im Dunkeln: Sushi. Bild: dpa

TOKIO taz | Auf dem Tsukijimarkt im Zentrum von Tokio scheint alles beim Alten zu sein. Am frühen Morgen geht der Thunfisch an den Höchstbietenden, später werden noch Seetang, Kaviar und Kugelfisch verkauft.

Auch die Besitzer von Sushirestaurants in Japan – dem Land mit dem größten Fischmarkt der Welt – freuen sich. Die Köche rufen beinahe im Sekundentakt laut durch den Laden, um eintretende Kunden zu begrüßen. Ein Stückchen Seeaal geht für umgerechnet fast fünf Euro weg, zwei Häppchen Tunfisch kosten zwei Euro. Das sind normale Preise, und die Läden sind voll.

Dabei hatte Japan erst Ende Oktober wieder eine Hiobsbotschaft erreicht. Eine Studie in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Science untersuchte die radioaktive Belastung von Fischen aus der Gegend um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima. 40 Prozent überschritten noch fast zwei Jahre nach dem Reaktorunglück den radioaktiven Grenzwert von 100 Becquerel pro Kilogramm Fanggewicht.

Bei Menschen kann das Element Cäsium Schäden am Muskelgewebe und den Nieren anrichten. Überraschend an der Studie war vor allem, dass die Strahlung derart lange anhält. Das spricht dafür, dass die Fische noch immer neuer Strahlung ausgesetzt sind. Sogar vor Kaliforniens Küste wurden schwach radioaktiv belastete Fische gefunden. Erst vor einigen Tagen machte auch in Japan wieder ein verstrahlter Fisch Schlagzeilen.

Einbruch auf ein Zehntel

Die Folgen des Tsunamis und der Atomkatastrophe im März 2011 hatten das Vertrauen der Verbraucher tief erschüttert. Auch viele ausländische Händler stoppten Bestellungen. Ergebnis: 2011 brach der Umsatz der Fischer aus der Region Fukushima von elf Milliarden Euro im Jahr 2010 auf nur noch ein gutes Zehntel ein.

Doch die neue Studie hat nicht zu einem weiteren Einbruch der Nachfrage geführt. Die meisten Japaner glauben an die strengen Kontrollen der Behörden. Im vergangenen Frühjahr hat Japans Ministerium für Fischerei die Grenzwerte, ab denen Fische nicht mehr als essbar zugelassen werden, deutlich verschärft. Der Fang der meisten Fischsorten vor Fukushima bleibt ohnehin verboten.

Im Juni 2012 wurden auf lokalen Märkten erstmals wieder Tintenfisch und Seeschnecken verkauft, wenn auch zu deutlich geringeren Preisen. Aktuelle Statistiken über den Fischverbrauch liegen noch nicht vor.

Das sind doch nur Gerüchte

In den Sushirestaurants merkt man nichts von einem Vertrauensverlust. „Ich mag weiterhin Fisch“, sagt Rika Tsunoda störrisch. Als Studentin gehört die Japanerin eigentlich einer Bevölkerungsgruppe an, die sehr genau auf ihre Nahrung achtet. Auf die Frage, ob sie Angst um ihre Gesundheit habe, antwortet Tsunoda: „Direkt nach dem Erdbeben war ich beunruhigt, wie viele andere auch. Aber ich glaube, vieles von dem, was man liest, sind Gerüchte.“

„Es ist wichtig, dass wieder ein Bewusstsein dafür einkehrt, dass sogar das Fischangebot aus Fukushima sauber ist“, sagt Masashi Nishimura von der Vereinigung Japanischer Fischer. Zuletzt betonte auch die Regierung wiederholt, dass kein Fisch, der die gesetzlich erlaubten Strahlenwerte überschreitet, in den Verkauf gehe.

Die Konsumenten scheinen davon mehr und mehr überzeugt. Anfang des Jahres wurde bei der morgendlichen Tunfischauktion auf dem Tsukijimarkt in Tokio sogar ein neuer Rekordwert erzielt: Für einen 269 Kilogramm schweren Fisch blätterte ein Restaurantbesitzer umgerechnet gut 490.000 Euro hin.

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