Warmherziger Witz

LITERATUR Für sein Romandebüt „Alle fliegen hoch. Amerika“ hat Joachim Meyerhoff letztes Jahr den Förderpreis zum Bremer Literaturpreis bekommen. Jetzt stellt er den zweiten Teil der Trilogie vor

Wenn Schauspieler sich abseits ihres Berufs als Sänger oder Schriftsteller versuchen, dann ist Skepsis angebracht, ob da nicht jemand seine Popularität zweckentfremdet. Bei Joachim Meyerhoff kann man sich diese Skepsis sparen. Bereits mit seinem literarischen Debüt „Alle Toten fliegen hoch. Amerika“ wusste er 2011 zu überzeugen – und zwar nicht allein das Publikum, sondern ebenso das Feuilleton sowie die Jury der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung, die ihn 2012 mit dem Förderpreis zum Bremer Literaturpreis auszeichnete.

Bevor Meyerhoff als Romancier in Erscheinung trat, hatte er sich bereits auf der Bühne einen Namen als Erzähler gemacht. Von 2006 bis 2009 erzählte er im sechsteiligen Zyklus „Alle Toten fliegen hoch“ mit großem Erfolg am Wiener Burgtheater aus seinem Leben. Aus diesem Theaterprojekt heraus entwickelte Meyerhoff sein literarisches Debüt, das den Auftakt zu einer Romantrilogie bildete. Nun ist mit „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ der zweite Teil dieser Trilogie erschienen – wobei der zweite ganz unabhängig vom ersten Teil gelesen werden kann.

Erzählt wird die Geschichte des kleinen Joachim, genannt „Josse“, der mit seiner Familie auf dem Gelände der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Hesterberg im norddeutschen Schleswig lebt. Sein Vater ist der Direktor der Psychiatrie, weshalb die Familie die Direktorenvilla im Zentrum des Geländes bewohnt. So kommt Josse täglich in Kontakt mit Patienten wie dem „Glöckner“, einem bärtigen Riesen im Bundeswehrparka, der am liebsten mit zwei massiven Glocken in den Händen und Josse auf seinen Schultern bimmelnd über das Gelände rast. Weihnachten zieht Josse mit seinem Vater von Station zu Station, um mit Torte und Cola seinen Magen zu strapazieren und den Patienten dabei zuzuschauen, wie sie sich euphorisch auf ihre Geschenke stürzen, sie aus ihrer Verpackung reißen und voll Ungestüm innerhalb von fünf Minuten in alle Einzelteile zerlegen.

Meyerhoffs Roman hat etwas Episodenhaftes, aber ganz im positiven Sinne, denn jede Episode kann voll szenischer Kraft und sprühendem Witz für sich allein stehen. Zugleich verbinden sich die Einzelteile zur Geschichte einer Familie, der es (entgegen den Wünschen der Mutter) nicht gelingt, ein „normales Leben“ zu führen. Zu den Geburtstagen des Vaters kommen nun einmal nicht die Verwandten, Freunde oder Arbeitskollegen, sondern die Nachbarn – und das sind die Patienten. Meyerhoff macht sich nie lustig über die teils skurril anmutenden Figuren, sondern erzählt mit einem warmherzigen Witz vom Zauber, den sie auf den Erzähler ausüben.

Meyerhoff gelingt dabei auf wunderbare Weise der Wechsel zwischen urkomischen Szenen (wie der Beerdigung einer Amsel oder dem Klinikbesuch des Ministerpräsidenten) und tieftraurigen Momenten (die gegen Ende des Romans zunehmen). Meyerhoff zeigt sich in seinem zweiten Buch als feinsinniger Erzähler, der famose Geschichten zu spinnen versteht. Und wer Meyerhoff einmal live erlebt hat, weiß, dass es in seinem Fall keineswegs von Nachteil ist, dass Autor und Darsteller hier in einer Person zusammenfallen.  JENS LALOIRE

■ Bremen: Fr, 15. 3., 20 Uhr, Schwankhalle, Buntentorsteinweg 112; Hamburg: Sa, 16. 3., 20 Uhr, Thalia in der Gaußstraße, Gaußstraße 190