Internationaler Frauentag: Die Unsichtbaren: „Ich wollte Stewardess werden“

Schwester Judith war verlobt, als sie sich entschied, Franziskanerin zu werden: Wie das kam, lässt sich so einfach nicht benennen, sagt sie.

Judith Terheyden ist als junge Frau dem Orden der Franziskanerinnen von Thuine beigetreten. Seit sie im Ruhestand ist, arbeitet sie im Atrium Kirche und in der Frauenarbeit für den katholischen Gemeindeverband Bremen. Bild: Klaus Wolschner

taz: Schwester Judith, gab es etwas in Ihrem Leben, das für Sie für Glück steht?

Judith Terheyden: Die Basis für mein Leben ist das Glück, in die Familie meiner Eltern hineingeboren worden zu sein. Meine Eltern waren streng, aber auch sehr liebevoll. Wir hatten alle sieben Kinder ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Eltern. Dieses Glück hat für mich auch eine Verantwortung – etwas zu teilen.

Wo sind Sie aufgewachsen?

Im Westfälischen. Ich habe gewartet, bis der Krieg zu Ende war und habe im August 1945 gewagt, ans Licht der Welt zu treten. Mein Vater war damals noch in Gefangenschaft. Meine Mutter war eine sehr lebensfrohe Frau, sie war Geschäftsfrau mit damals vier Kindern.

Was haben Sie nach der Schulzeit gelernt?

Ich hatte ein klares Ziel: Ich wollte Stewardess werden.

um dem Himmel etwas näher zu kommen?

… naja, und dann wollte ich wenigstens Hotelfachfrau werden. Ich wollte in der Welt herumkommen. Als zwölfjähriges Mädchen habe ich mit meinem Vater eine Hafenrundfahrt in Bremen gemacht, ich weiß noch genau, dass ich hinten am Heck stand und weinte, als ich die großen Schiffe sah. Das war Fernweh. Ich wollte nach Brasilien gehen.

Weg von Westfalen und in die große weite Welt.

Irgendwann hat der liebe Gott gesagt: Da rede ich auch mit.

Sie sind gar nicht Hotelfachfrau geworden?

Ich habe zunächst das Servierhandwerk gelernt. Ich habe eine Volontärszeit in einem Pralinenbetrieb gemacht.

Daher der Ruf, dass Sie hervorragende Pralinen machen.

Ja. Da war ich die einzige Frau unter acht Jungen. Das war eine harte Zeit. Ich habe denen aber auch gezeigt, was eine Harke ist.

Wie hat Gott da eingegriffen?

Meine Mutter hat ihn ein wenig angeschubst. Ich brauchte ein Hotelpraktikum, aber meine Mutter hat mir eine Stelle in einem Haus auf Borkum vermittelt, das von Schwestern geleitet wurde. Das war für mich damals ein Horror. Ich hatte im Krankenhaus Schwestern kennengelernt. Da dachte ich: Ins Kloster geht nur, wer mit seinem Leben nichts anzufangen weiß, oder Liebeskummer hat.

Wenn Sie von Ihrer glücklichen Kindheit erzählen – konnten Sie sich nicht vorstellen, selbst mal eine große Familie zu haben?

Das wollte ich. Mein Lebensentwurf sah so aus. Darin spielten Kinder eine ganz große Rolle. Ich musste mich aber einer notwendigen Operation unterziehen. Als meine Geschwister dann nach und nach heirateten und da die Kinder kamen, ist mir deutlich geworden, auf was ich verzichten musste. Ich habe dann in meiner Arbeit so viele Kinder begleiten dürfen, das hat mich – wenn ich „entschädigt“ sagen würde, wäre das zu materialistisch. Das fing in der Kindergartenarbeit an, in der Gemeindearbeit sind wir auch in die Kindergärten gegangen und haben versucht, den Kindern eine Freude am Glauben zu vermitteln.

Wie wurden Sie Schwester?

Auf Borkum hat es bei mir angefangen zu keimen. Das Gefühl, dass es etwas anderes geben könnte als eine Partnerschaft. Je weiter ich von zu Hause weg kam, um so deutlicher wurde mir mein Weg. Das war auch ein Kampf: Ich hatte zu der Zeit eine feste Beziehung, die Verlobung stand an. Es war eine spannende und schwere Zeit.

Es muss da etwas sehr Faszinierendes geben, das ein solches Opfer aufwiegt.

Was das ist, was einen so sicher macht? Das kann man nicht so einfach benennen. Das hat etwas von Berufung.

Wenn am Internationalen Frauentag tausende von Frauen für Gleichberechtigung demonstrieren, könnten Sie sich vorstellen, auch hinzugehen?

Vielleicht vor 20 Jahren, da hätte ich das getan. Verstehen kann ich das aber sehr gut. Seit den 1980er Jahren kämpfen wir für eine Gleichberechtigung, wir müssen immer wieder auf die Straße gehen und uns lautstark zu Wort melden, damit das ernst genommen wird. Wir brauchen Frauen, Vorbilder, zu denen man aufblicken kann.

Eine Päpstin?

Nein, es muss nicht unbedingt eine Päpstin sein. Es gibt eine Teresa von Ávila, es gibt eine Hildegard von Bingen. Zu denen schaue ich auf. Es gibt auch heute Frauen, zu denen ich aufgucke – Annette Schavan etwa. Die habe ich schätzen gelernt im Katholischen Deutschen Frauenbund.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.