Neuer Chef bei Thyssen-Krupp: Das schwierigste Amt seiner Karriere
Stahlkocher sucht Neuanfang: Als Vorsitzender des Aufsichtsrats soll Ulrich Lehner den Großkonzern Thyssen-Krupp wieder erfolgreich machen.
BOCHUM taz | Ulrich Lehner, einst Chef des Waschmittelherstellers Henkel, tritt am 1. April das wohl schwierigste Amt seiner Managerkarriere an: Der 66-Jährige wird Aufsichtsratsvorsitzender des größten deutschen Stahlherstellers Thyssen-Krupp – mitten in einer der tiefsten Krisen des 200 Jahre alten Traditionsunternehmens: Den Essener Konzern mit 150.000 Beschäftigten drücken Schulden von über fünf Milliarden Euro.
So hoch waren auch die Verluste im Geschäftsjahr 2011/12. Zum ersten Mal zahlte Thyssen-Krupp seinen Aktionären keine Dividende. In der europäischen Stahlsparte müssen 2.000 Mitarbeiter gehen – allein in Deutschland beschäftigt Thyssen-Krupps Steel Europe AG noch rund 19.000 Menschen, vor allem im Ruhrgebiet. Weltweit sind sogar 10.000 Jobs bedroht.
Hauptgrund für das Desaster ist der Neubau von zwei Stahlwerken in Brasilien und den USA. Allein das Werk in der Nähe Rio de Janeiros kostete statt 1,3 satte fünf Milliarden Euro. Insgesamt haben die heute zum Verkauf stehenden riesigen Industrieanlagen etwa 12 Milliarden Euro verschlungen – ihren Wert bilanzierte selbst Thyssen-Krupp zuletzt mit nur noch 3,9 Milliarden.
Der Markt wird unsicherer
Dabei schien die Produktion vor allem in Südamerika zunächst gewinnversprechend: „Global gesehen ist der Stahlmarkt im Aufwind“, sagt Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Erwin Bronk, Stahlexperte der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC), rechnet mit einer Steigerung des weltweiten Verbrauchs von gut 1,5 Milliarden Tonnen Stahl 2011 auf mehr als 2,5 Milliarden Tonnen im Jahr 2025 – getragen durch die Nachfrage von Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien.
Doch der Markt wird unsicherer: „Langfristig stabile Lieferkontrakte“ fielen weg, stattdessen werde der Rohstoff Eisenerz wie Stahl selbst immer häufiger an Börsen gehandelt, warnte PwC-Analyst Ingo Schill schon im vergangenen Jahr.
Thyssen-Krupps Manager versuchten, die Gewinne mit illegalen Kartellen zu stabilisieren. Allein die Bahn soll um mehr als 550 Millionen Euro betrogen worden sein. Erst Anfang März wurden Räume eines Exvorstands von Steel Europe durchsucht: Thyssen-Krupp soll zusammen mit seinen Konkurrenten Voestalpine und Arcelor-Mittal Stahlpreise zulasten der Autoindustrie abgesprochen haben. Am 8. März verstieß der 99-Jahre alte Patriarch Berthold Beitz, Vorsitzender des Haupteigners Krupp-Stiftung, dann den langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme.
Doch ob Crommes Nachfolger Ulrich Lehner den Essener Konzern wieder auf Erfolgskurs bringen kann, bleibt zweifelhaft. Lehner sitzt bereits seit 2008 im Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp. Und beim Schweizer Pharmakonzern Novartis hat er sich für die als skandalös geltende, mittlerweile abgesagte Rekordabfindung von fast 60 Millionen Euro an Exchef Daniel Vasella starkgemacht. Aktionärsschützer sagen deshalb schon heute: „Ein Neuanfang sieht anders aus.“
Leser*innenkommentare
reblek
Gast
"Neuer Chef bei Thyssen-Krupp" - Was für ein Unsinn. "Chef" ist nicht nur bei ThyssenKrupp - der Laden verzichtet auf den Bindestrich - der Vorstandsvorsitzende. Der Aufsichtsratsvorsitzende führt, wie der Name schon sagt, die Aufsicht über diesen Herrn und seine Kollegen im Vorstand.
laura
Gast
Der total liberale Markt nutzt nur den Großanlegern.
Auf gar keine Fall den arbeitenden Konsumenten
und auch nicht den Familienunternehmen und dem
Mittelstand.
Die EU ist ein Totalliberalismusvertreter und gehört
abgeschafft! Es muss Kartelle geben, um die Existenz
dieser Großbranchen mit Großrisiken wirtschaftlich
kalkulierbar zu halten!
Andere Länder außerhalb der EU werden sich freuen,
wenn die Großbranchen in
Unternehmerbesitz zu ihnen hinüberwechseln.
Arbeit muss sich lohnen und es braucht Margenstabilität für eine geordnete Fortschrittsentwicklung.
Die EU ob bei Wasser, Industrie, bezahlbare Mieten,
Umweltschutz hat alle Erwartungen verfehlt!!
Sie soll weg!
Die EU ist gescheitert, denn die Politik ist dumm!
Der Automarkt braucht in erster Linie vermögende
Verbraucher und nicht Dumpingpreise und Dumpinglöhner! Nur Reichtum schafft Kultur, Fortschritt, Eigenständigkeit, Auswahl und Demokratie, aber
nicht die Volatilisierung der Realwirtschaft!
Die EU ist das Allerallerallerletzte!