Ehemaliger Ehrenbürger: Führer im Keller
Im Hamburger Rathaus verstaubt seit 68 Jahren eine Büste von Adolf Hitler, dem die Stadt ihre Größe verdankt.
HAMBURG taz | Da steht er nun im Staub auf dem Fußboden in einer Abstellkammer ganz unten im Hamburger Rathaus: der Kopf von Adolf Hitler. Bis Mai 1945 hatte die Büste einen Ehrenplatz in einem der Säle gehabt. Dann wurde sie in den Keller verbannt, vergessen, verdrängt. Und die Ehrenbürgerwürde wurde dem Porträtierten damals auch gleich aberkannt.
Dabei existiert der Stadtstaat an der Elbe noch immer in den Grenzen, die vor 76 Jahren von den Nazis geschaffen wurden. Und das Motiv war – der Hafen. Im November 1936 klagte der Hamburger NS-Reichsstatthalter Karl Kaufmann dem preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring, wie kompliziert die territoriale Zersplitterung die Planung von Infrastruktur mache. Göring, der Bedeutung des Hafens und seiner Werften für die Kriegspläne der Nazis eingedenk, handelte sofort: Am 1. April 1937 trat das Groß-Hamburg-Gesetz in Kraft.
Die bis dahin selbständigen preußischen Städte Altona, Harburg-Wilhelmsburg und Wandsbek wurden in die Hansestadt Hamburg eingegliedert, dazu weitere Gemeinden aus den preußischen Provinzen Schleswig-Holstein und Hannover. Hamburg vergrößerte auf einen Schlag seine Fläche von 415 auf 745 Quadratkilometer und seine Einwohnerzahl von 1,19 auf 1,68 Millionen Menschen.
Im Gegenzug jedoch musste Hamburg das Amt Ritzebüttel mit der Stadt Cuxhaven an Preußen abtreten. Und wohl nur deshalb gibt es jetzt in Wilhelmshaven den Jade-Weser-Port – und keinen Hamburger Tiefwasserhafen an der Elbmündung in Cuxhaven.
Göring übrigens wurde 1937 zum Dank ebenfalls Hamburger Ehrenbürger, aber nur für acht Jahre. Von Führer ist immerhin der Kopf im Keller geblieben – was zu der Frage führt, wo andere Städte ihre Hitler-Büsten gelassen haben. Die standen ja damals in vielen Rathäusern herum. Doch jetzt wird aufgearbeitet. Norddeutsche Kommunen, die noch einen Führer im Keller haben, mögen sich – auch vertraulich – bei der taz.nord melden: fuehrer@taz-nord.de
Leser*innenkommentare
Jan Martens
Gast
Nicht zu vergessen, dass mit dem Groß-Hamburg-Gesetz auch gleich die Freie und Hansestadt Lübeck ihre Eigenstaatlichkeit verlor. Hamburger Kaufleute haben in den 1930ern - kaufmännisch wendehalsig - Hitler mit offenen Armen begrüßt. Die Lübeck nicht.