ADAC Spitzelaffäre: Schlammschlacht bei den gelben Engeln

Gegen den ACAC mehren sich die Anzeigen, weil er seine Mitarbeiter bespitzelt haben soll. Nun hat der ADAC die Auflösung des Betriebsrats beantragt.

Betriebsklima können sie nicht heile machen: ADAC-Pannendienst. Bild: dpa

HANNOVER taz | Die Vorwürfe der Mitarbeiterbespitzelung gegen den Geschäftsführer des ADAC Niedersachsen ziehen immer weitere Kreise. Seit gut einem Monat ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover wegen des Anfangsverdachts gegen Hans-Henry W. – er soll die Arbeit des Betriebsrates behindert haben. Ausgelöst hatte die Ermittlungen eine Strafanzeige des Betriebsrats. Der Anzeige hat sich auch die Gewerkschaft Ver.di angeschlossen. Zudem hat ein ehemaliger Pressesprecher des ADAC Anzeige erstattet, weil seine E-Mails ohne sein Wissen an die Geschäftsführung weitergeleitet worden sein sollen, wie die Staatsanwaltschaft auf taz-Anfrage mitteilt.

Durch eine Beschwerde der ehemaligen IT-Leiterin Marion W. war publik geworden, dass Mitarbeiter über Jahre überwacht worden sein sollen. W. berichtet darin, sie sei angewiesen worden, der Geschäftsführung Zugang zu E-Mails zu verschaffen und diese nach Stichwörtern zu durchsuchen. Das Ziel: Belastendes Material gegen die Betriebsräte sammeln. Der Betriebsrat erstattete Anzeige, Ver.di und der ehemalige Pressesprecher zogen nach.

Auch der ADAC Niedersachsen hat sich an die Justiz gewandt. Der Vorstand hat diese Woche beim Arbeitsgericht Hannover die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Pflichtverletzungen beantragt. Mit diesem Schritt stelle man sich hinter die ADAC-Mitarbeiter, lässt der Vorstand mitteilen. Aus deren Reihen war die Amtsenthebung des Betriebsrats zuvor schon beantragt worden. Das sei nicht freiwillig geschehen, vermutet der Hannoveraner Arbeitsrechtler Stephan Korb, der den Betriebsrat vertritt. Auch Ver.di-Fachsekretär Gerhard Klein ist überrascht. „Ich hatte bislang nicht den Eindruck, dass der Betriebsrat von der Belegschaft nicht getragen wird“, sagt er. Korb geht davon aus, dass der Mitarbeiterantrag „gesteuert“ und unter Druck entstanden sei.

Beim Arbeitsgericht Hannover hat es etwa um den ADAC-Regionalverband Niedersachsen seit 2006 über 90 Verfahren gegeben - und das bei nur rund 180 Mitarbeitern.

2010 behielt die Geschäftsführung monatelang Teile der Gehälter der Betriebsräte ein, weil sie angeblich zu viel Zeit in die Betriebsratsarbeit steckten. Die Arbeitnehmervertreter zogen vor Gericht, nach einem Vergleich zahlte der ADAC die Löhne nach.

2011 klagte eine ehemalige Vertriebsleiterin nach ihrer fristlosen Kündigung wegen sexueller Belästigung gegen Geschäftsführer W. Den Vorwurf ließ sie im Zuge eines Vergleichs fallen.

So hätten Führungskräfte aus dem Umfeld des umstrittenen Geschäftsführers Hans-Henry W. offensiv Unterschriften für den Antrag gesammelt. Zudem seien Unterschriftenaktionen ein ganz „übliches Szenario“ beim ADAC. Etwa dann, wenn kritische Presseberichte über das Arbeitsklima drohten, sagt Korb, der auch die ehemalige IT-Leiterin Marion W. vertritt, die die Spitzelvorwürfe erst erhoben hatte.

Marion W. wurde danach fristlos gekündigt. Freitag wird ihre Kündigung bei einem Gütetermin am Arbeitsgericht Hannover verhandelt. Bei dem Antrag auf die Auflösung des Betriebsrates hat man auf einen solchen Gütetermin verzichtet und gleich die Verhandlung anberaumt. Angesichts der Vielzahl arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen beim ADAC sei keine Einigung zu erwarten, erklärt ein Gerichtssprecher.

Folgt man unterdessen dem PR-Berater Klaus Kocks in der hannoverschen Lokalpresse, den der ADAC mit der Krisenkommunikation betraut hat, schaden die Dauerfehden dem Ansehen des Automobilclubs nicht. Erst jüngst sei der Vorstand bei einer Mitgliederversammlung wiedergewählt worden, erklärt Kocks. Gegenkandidaten gab es nicht – die waren wegen Formfehlern ausgeschlossen worden.

Auch den ADAC-Medienstammtisch belasten die Querelen Kocks zufolge nicht. Alle Sponsoren hätten sich hinter die von Hans-Henry W. organisierten Events gestellt, bei denen sich Politik, Wirtschaft und ausgewählte Journalisten in einem Brauhaus in Hannover zu Buletten und Freibier treffen.

Engste Drähte pflegt der ADAC auch zur Staatsanwaltschaft Hannover: Dort ist Vorstandsmitglied Wolfgang Czychon Oberstaatsanwalt. An den Ermittlungen wegen der Bespitzelungsvorwürfe sei der nicht beteiligt, sagt ein Staatsanwaltschaftssprecher. Czychon sei nicht für Wirtschaftsstrafsachen zuständig, zudem werde „intern sichergestellt, dass es keine Überschneidungen gibt“.

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