Musik-Tagung „Operation Ton“: Großes Homie-Gebrabbel

Das Motto „Her mit der Utopie“ übernahm die 7. „Operation Ton“-Konferenz von Bernadette la Hengst. Und auch sonst ging es zitatreich zu.

Auf der Hamburger Konferenz „Operation Ton“ wurde diesjährig auf die großen Theorien verzichtet. Bild: alwayshappy/photocase.com

Der Berliner DJ Touchy Mob erklärt, wie Crowdfunding funktioniert. „Lustig gewinnt“, ist seine feste Überzeugung, und dass da etwas dran ist, wird klar, als er die Belohnungen für die Spender seiner letzten EP vorliest. Für 5 Euro konnte man seine Katze zum Aufpassen vorbeibringen.

Für 40 Euro gab es einen Haarschnitt von seiner EP-Partnerin Tellavision. Als das Publikum sich schon vor Lachen auf die Schenkel schlägt, erklärt Ludwig Plath alias Touchy Mob noch den Begriff des Homie-Gebrabbels: „Das ist das, was man auf Rapsongs im Hintergrund hört, die ganzen Stimmen der Freunde, die etwas in die Aufnahme rufen.“

Auch im Konferenzraum der Operation Ton ist Homie-Gebrabbel angesagt. Es herrscht eine lockere und unprätentiöse Gesprächsatmosphäre. Man kennt sich, erzählt, woran man gerade arbeitet, ob bei Schnittchen in der Pause oder auf der Rednerbühne.

Dabei wird auf die großen Theorien und abstraktes Geschwafel verzichtet, ohne dass Visionäres und Nachdenkliches zu kurz kommt. „Her mit der Utopie“, das diesjährige Motto nach dem gleichnamigen Song von Bernadette La Hengst, trifft auf den Schlachtruf des veranstaltenden Vereins Rockcity e. V.: „Keep Hamburg weird!“

Flipchart und Snares

So kommt nach der Social-Media-Expertin der Schlagzeugvirtuose Sven Kacirek auf die Bühne, schnappt sich Flipchart und Snares und erklärt, wie man „vom Medium Jazz weg- und hin zu coolen Beats“ kommt. „Wenn’s zu nerdig wird, einfach Bescheid sagen“, sagt er besorgt, als er die Snares gerade mit Plastiktüte und Glasschale abgedeckt und mit Kontaktmikrofon ausgestattet hat.

Aber ein Blick in die faszinierten Gesichter verrät, dass es gar nicht nerdig genug werden kann. Überboten wird er in Sachen Weirdness noch von Leafcutter John, der eine Box mit Lichtsensoren gebaut hat, die an verschiedene Sounds auf dem Computer gekoppelt ist. Er spielt wild mit Taschenlampen und Fahrradlicht darauf herum, und es scheppert und klingt und wummert.

„Hier mischt sich Information mit Irritation“, erklärt Andrea Rothaug, Rockcity-Geschäftsführerin und selbst durch und durch der Szene verschrieben, das Konzept. Sie war genervt von ewig gleichen Musikkonferenzen, auf denen Musiker, die etwas lernen und inspiriert werden wollten, am Ende nur wieder als die Dummen dastanden, die die Musikbiz-Stars auf der Rednerbühne beklatschen mussten.

So fand 2006 das erste Mal „Operation Ton“ statt. „Gebt uns doch mal was Praktisches mit auf den Weg“, ermahnt Rothaug etwa das Managerpanel, als es zu sehr ins Schwelgen über alte Zeiten mit üppigen Plattendeals gerät.

Tipps und berufliche Werdegänge

Der Geist aber dürstet dann und wann nach Worten, die größer klingen als Tipps und berufliche Werdegänge. Er bekommt sie schließlich von Robert Levine, Publizist und Urheberrechtsverfechter, der wenig kontrovers von dem GEMA-Aufsichtsratvorsitzenden Frank Dostal befragt wird.

Die Wünsche der Anti- und Pro-Urheberrechtler liegen gar nicht so weit auseinander, so Levines Message. Beide wollten selbst darüber bestimmen, was mit ihrer Kunst passiert. Vielmehr seien es antikapitalistische Haltungen und das Ablehnen von großen Firmen wie der GEMA, die in der Copyrightdebatte eine Rolle spielen und die Urheberrechtsverfechter als so wahnsinnig unsexy daherkommen lassen.

Im Übrigen solle man sich gut überlegen, an wen man die Rechte an der eigenen Musik abtritt. Denn die Verwerter seien leider nicht nur begabte, kreative Menschen, die großartige Remixe produzieren. Fast schade, dass nicht Thomas Meinecke, Publizist und Mitglied der Band FSK, sein Gesprächspartner ist. Der nämlich redet am nächsten Tag über den Irrtum von Authentizität und begreift Pop als eine Haltung, die ihre Künstlichkeit und Zitathaftigkeit nicht hinter Originalitätsbehauptungen versteckt.

Pop benutzt das Bewusstsein, dass alles schon einmal gemacht wurde, als ästhetischen Anreiz, erklärt Meinecke und erzählt von seiner 1980 gegründeten, mittlerweile bei Buback unter Vertrag stehenden Band FSK. Diese mache „Musik über Musik“.

Als dann auch noch die zu kurz gekommenen Genderthemen angesprochen werden – Gesprächspartnerin DJ Patex erklärt, wie sehr sie die Frage, wie es ihr „als Frau“ im Musikbiz gehe, nervt –, hängen endgültig alle den beiden an den Lippen. Dann ist der Rednerslot und mit ihm bald die Konferenz, vorbei – dabei ist die Tür zum Diskurs gerade erst aufgemacht worden.

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