Besuch aus Peking: Herr Li will Freihandel

Seit Wochen zoffen sie sich um Solarmodule und Porzellan. Bei der Visite der chinesischen Führung in Berlin geht es wieder um mehr Exporte.

Alles schön im deutsch-chinesischen Handel, könnte aber noch besser laufen: Hafen in Shanghai. Bild: reuters

PEKING taz | Solarmodule, Telekommunikationsanlagen, Porzellan – in insgesamt 18 Fällen prüft die EU derzeit Anti-Dumping-Verfahren gegen China. Ausgerechnet jetzt schlägt die chinesische Führung der Bundesregierung vor, Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufnehmen. Das zumindest ist erklärte Absicht von Chinas neuem Premierminister Li Keqiang, wenn er am Sonntag zu seinem Antrittsbesuch in Berlin eintrifft.

Li stößt damit auf reges Interesse der deutschen Wirtschaft. Allein durch den Wegfall von Strafzöllen sei ein jährlicher Zuwachs der deutschen Exporte von mindestens vier Milliarden Euro möglich, sagt der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. "Alles, was dem Ideal des Freihandels näher kommt, halten wir für unterstützenswert."

Ähnlich haben sich in den vergangenen Tagen bereits der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Verband des Außenhandelsverbands geäußert. Auf den ersten Bick überrascht es, dass die deutsche Wirtschaft positiv auf Chinas Vorstoß reagiert. Erst vor zwei Wochen hat die EU-Kommission auf Betreiben des europäischen Verbands ProSun Strafzölle auf chinesische Solarmodule beschlossen - ein Lobbyverband der Solarwirtschaft unter Federführung von Solarworld. Die angeschlagene Bonner Firma wirft China Dumpingpreise bei der Ausfuhr von Solarmodulen vor.

Und Solarworld ist keineswegs der einzige Akteur, der wegen Billigimporten aus China klagt. Nur wenige Tage später legte EU-Handelskommisar Karel De Gucht nach und drohte auch mit Handelssanktionen gegen die Netzwerkausstatter Huawei und ZTE. Auch diese beiden chinesischen Unternehmen stehen nun kurz vor einem Anti-Dumping-Verfahren in der EU.

Tatsächlich kommt der Vorstoß der deutschen Wirtschaft nicht von ungefähr. Zwar gibt es auch in Deutschland Stimmen, die befürchten, bei einer völligen Freigabe des Handels könnte Deutschland noch stärker mit chinesischen Billigimporten überschwemmt werden. Und der deutsche Außenhandel weist mit China in der Tat ein Handelsbilanzdefizit auf. 2012 haben die Chinesen 10 Milliarden Euro mehr nach Deutschland eingeführt als umgekehrt. Doch dieses Defizit hat sich gegenüber 2011 bereits um fast 30 Prozent verringert.

Keine Angst vor Billigimporten aus China

Zudem machen viele deutsche Firmen in der Volksrepublik derzeit Rekordumsätze. Diese könnten noch höher ausfallen, wenn es zwischen China und Deutschland ein Freihandelsabkommen gebe, so zumindest die Annahme vom BDI. Der DIHK geht sogar davon aus, dass China bis 2023 zum wichtigsten Abnehmer deutscher Waren aufsteigen könnte.

Außer der Teil der Solarbranche, die mit Solarword das Anti-Dumping-Verfahren gegen die chinesische Konkurrenz anstrebt, fürchten sich die meisten deutschen Unternehmer denn auch nicht so sehr vor den chinesischen Billigimporten. Vielmehr beklagen sie die bürokratischen Hürden in China. Trotz boomende Geschäfte litten viele von ihnen in der Volksrepublik nach wie vor unter erschwerten Marktzugängen.

Verhandlungen eines Freihandelsabkommen könnte diese Hürden beseitigen, so ihre Hoffnung. Und auch EU-Diplomaten halten trotz der aktuellen Handelskonflikte ein Freihandelsabkommen mit China für möglich und wünschenswert. Dieses könnte geprüft werden, wenn die Volksrepublik Wettbewerbsprobleme im eigenen Land beseitige, heißt es in einer jüngsten Studie im Auftrag der EU.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag argumentiert denn auch, dass ein Freihandelsabkommen mit China keineswegs die jüngsten Handelskonflikte noch mehr anfeuern würde. Im Gegenteil: Schon die Verhandlungen darum könnten dazu beitragen, auch den Streit um die Solareinfuhren zu mildern.

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