Umbrien ist ein Genießerland: Phenole fürs Herz

Weißer Wintertrüffel, schwarzer Wintertrüffel, Sommer-Schwarztrüffel, Wildschweinsalami, Eselsalami, Trüffelkäse. Umbrien ist ein Traum für den Gaumen.

Beim Schinken- und Wurstspezialisten in der Norcia in Umbrien. Bild: imago/Jochen Tack

Sanfte Hügel, gekämmte Landschaft? Vergessen Sie den Toskana-Film in Ihrem Kopf – Umbrien geht steil. Die Berge hoch, die Täler eng. Und fast überall, wo das Auge hinschaut, gibt es Wald. So viel, dass Bären und Wölfe in aller Ruhe eine Familie gründen können.

Umbriens Kultur ist die Wildheit. Viele Jäger jagen unterirdisch, niemand muss sterben, denn die Objekte der Begierde wachsen nach: Trüffeln. Traditionell ließ man Schweine nach den Knollen graben, aber diese schlauen Viecher fraßen sie viel zu oft selbst, sodass man jetzt mit abgerichteten Hunden durch die Wälder streift.

Weißer Wintertrüffel, schwarzer Wintertrüffel, weißer Frühlingstrüffel, Sommerschwarztrüffel – in Umbrien ist ganzjährig Saison.

Wer mal bei der Jagd dabei sein möchte, wendet sich an Matteo Bartolini vom Agriturismo Ca’Solare in Cittâ di Castello: Vom 1. März bis zum 31. Dezember, wenn es nicht in Strömen regnet, nimmt er Sie fünf Stunden lang mit in den Wald.

Fünf Jahre lang hat Matteo die schwarz-weiße Brackenmischung Sole trainiert, bis der quirlige Hund es draufhatte. Unter Trüffeljägern ist es übrigens Ehrensache, nur mit kastrierten Rüden auf die Suche zu gehen. Eine läufige Hündin genügt, dann schmeißt selbst der treueste Gefährte seinen Trüffeljob hin und sucht die viel besser duftende Dame.

L'Agriturismo Cà Solare: Zimmervermietungen und Trüffelsuche inklusive deren Zubereitung. Tel. + 39 07 58 55 96 42 www.agriturismo-casolare.it

Agriturismo.it: Ein Projekt von Premiaweb s.r.l., einer Verlagsgesellschaft, die auf die Realisierung und Verwaltung von themenbezogenen Internetseiten spezialisiert ist. Seit 2000 entwickelt Premiaweb Produkte, bei denen großer Wert auf die Erfahrungen der Benutzer gelegt wird. Tel. + 39 02 66 40 60 18, agriturismo.it

Wenn Sie aus dem Wald zurückkommen, geht es ans Kochen und Essen: selbst gemachte Pasta, etwas Olivenöl und Salz dran, Trüffel darüber hobeln, fertig. Umbrien ist nicht kompliziert, Umbrien ist intensiv.

Bis hierhin könnte dieser Text noch in der Fachzeitschrift natürlich vegetarisch stehen, aber damit ist Schluss: Jetzt kommt der Metzger („il Norcino“). Umbrien ist Fleischland. Norcineria ist in Mittelitalien der Begriff für eine Schweineschlachterei, entstanden in der umbrischen Stadt Norcia, wo die Fleischer ein spezielles Verfahren zur Haltbarmachung von Wurst und Schinken entwickelten.

Heute sind viele Norcinerias schlicht Feinschmeckertempel. Gehen Sie in irgendeinen verdammten Laden rein, wo die Keulen von der Decke hängen. Fragen Sie nach der garantierten Herkunft: Prosciutto di Norcia IGP (Indicazione Geografica Protetta). Geschnitten wird der Schinken mit der Hand in hauchfeine Scheiben.

Der Herr hinter der Theke

Oder gehen Sie in die Salumeria in der Via Arco di Druso in Spoleto. Sie treffen auf einen unfassbar freundlichen Herrn hinter der Theke, der ausschließlich Italienisch spricht. Haben Sie keine Angst vor Sprachbarrieren.

Zeigen Sie auf das, was Ihnen gefällt, oder lernen Sie folgende Begriffe einfach auswendig: Salame di Cinghiale, Salame d’Asino, Formaggio con Tartufo – Wildschweinsalami, Eselsalami, Trüffelkäse. Umbrien ist Genießerland.

Nehmen Sie das Olivenöl. Das ist nicht irgendein Lebensmittel, es ist eine Religion. Umbrier, die über Olivenöl sprechen, sind beseelt. Jedes kleine Kind kann die wichtigsten Olivensorten aufsagen: Moraiolo, Frantoio, Leccino und Dolce Agogia.

Man spricht darüber wie über die Rebsorten des Weins. Und die Analogie geht weiter: Die guten umbrischen Öle tragen das DOP-Siegel (Denominazione d’Origine Protetta), haben also eine geschützte Herkunft wie DOC-Weine.

Frucht, Würze und Bitterkeit

„Ein gutes Olivenöl“, sagt Giulio Scalotini, Umbriens Chefverkoster in Sachen Öl, „hat drei Komponenten: Frucht, Würze und Bitterkeit.“ Letzteres ist für den nordeuropäischen Gaumen vielleicht etwas verstörend, aber Scalotini beharrt: „In der richtigen Dosis adelt ein solches Öl jedes Essen. Die Bitterkeit zeigt das Vorhandensein von Polyphenolen im Öl an. Und diese Phenole sind für Herz und Kreislauf nachgewiesenermaßen sehr gesund.“

Es soll in abgelegenen umbrischen Bergdörfern einen Haufen Hundertjähriger geben, die sich täglich 20 Kippen reinziehen – kerngesund, weil das Wasser und die Luft sauber sind, und natürlich wegen des Öls.

Mögen Sie Wein? Daran soll es Ihnen in Umbrien nicht mangeln. Wählen Sie autochthone Rebsorten. Beim Rotwein ist es der Sagrantino.

Gerbstoffe auf der Zunge

Sie müssen jetzt ganz tapfer sein. Alle kennen Rotweine, die einem die Zunge pelzig machen. Ursache sind Gerbstoffe, beim Wein Tannine genannt, die in den Traubenschalen sitzen und bei den kleinbeerigen Sorten besonders zum Tragen kommen. Ein junger Sagrantino stellt in Sachen Zungenpelz alles in den Schatten, was Sie bisher erlebt haben.

Und warum soll ich mir das antun?, mag sich der ein oder andere jetzt zu Recht fragen. Weil Genuss manchmal Geduld, Mühe und Köpfchen verlangt! Man tut sich das alles an, weil hinter den Tanninen eine herrliche Aromenwelt auf Sie wartet: Pflaumen, Waldfrüchte, Nelken, Pfeffer, Leder, Erde, Tabak – genau die fruchtige, würzige Vielfalt, die man sich von einem großen, intensiven Wein wünscht.

Mit den Jahren wächst der Genuss

Wenn Sie etwas mehr Geld ausgeben können und wollen: Kaufen Sie ältere Sagrantinos, die sechs, sieben Jahre alt sind. Dann ist die bissige Jugend vorbei, und der Genuss wächst.

Ein letzter Rat: Ein Sagrantino ist kein Wein, den man nebenbei beim Doppelkopf trinkt. Essen Sie dazu, am besten etwas mit umbrischer Kraft wie Hähnchen nach Jägerart. Mit dabei sind immer Knoblauch, Rosmarin, Sardellenfilets, Kapern und schwarze Oliven. Umbrien ist würzig.

Warum ist das so? Die These: weil es in Umbrien keinen Strand gibt. Keinen billigen Tand, keine falsche Ablenkung, Konzentration auf das Wesentliche. Es ist nun mal – endlich ein schöner Werbespruch – das Wunderland mittendrin.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.