"Lebenslaute" blockiert Ministerium: Ein Tango für die Flüchtlingspolitik

Am Montag hat eine politische Konzertgruppe für mehrere Stunden die Eingänge des Bundesinnenministeriums blockiert - sehr zum Unmut der meisten Mitarbeiter.

Mit Musik gegen Abschottung: Lebenslaute-Musiker vor dem Bundesinnenministerium. Bild: Mareen Ledebur

Es tropft auf die Köpfe von einigen der Musiker, die sich vor der Toreinfahrt des Amtsgerichts Tiergarten niedergelassen haben und singen. Über ihnen werden am Montagmorgen die Fenster geputzt. "Zur falschen Zeit am falschen Ort", ruft einer der Fensterputzer. Zu welcher Zeit und an welchem Ort sich Flüchtlinge in Deutschland aufhalten können, ist durch die Residenzpflicht geregelt. Die nimmt Asylbewerber in die Pflicht, sich am Ort ihrer zuständigen Behörde aufzuhalten. Die Orchestergruppe "Lebenslaute" protestierte am Montag gegen die deutschen Flüchtlingspolitik. Sie blockierte ab sechs Uhr die Eingänge zum Bundesinnenministerium und den weiteren Zugang über das Amtsgericht Tiergarten.

Veranstaltet wurde die Aktion im Rahmen des "Tribunals gegen die Bundesrepublik Deutschland", das am Wochenende auf dem Berliner Mariannenplatz in Kreuzberg getagt hatte. "Lebenslaute" kritisiert unter anderem die Abschiebehaft, die Residenzpflicht und das Arbeitsverbot von Flüchtlingen in Deutschland. Die auf dem Tribunal gestellten Forderungen sollen auf musikalische Art und Weise weitergegeben und "den Verantwortlichen vorgetragen werden", so Berthold Keunecke, aktiv bei "Lebenslaute". Für ihn ist "das ganze Innenministerium verantwortlich für die Flüchtlingspolitik", alle wichtigen Entscheidungen werden hier getroffen. "Wir transportieren mit unseren Liedern auch einen Inhalt. Es ist anders zu singen und zu spielen, als nur Parolen zu rufen", erklärt Orchestermitglied Alex.

Deshalb haben sich die rund 90 Musiker und Aktivisten auf die verschiedenen Eingänge des Ministeriums und die Zugänge durch das Amtsgericht verteilt. In den kleinen Gruppen verhallt der Gesang teilweise an den großen Glasbauten. Ihre Texte sind trotzdem stark. Sie singen "Clandestino" von Manu Chao und afrikanische Kanons. Auch klassische Musik darf nicht fehlen. Einer Kantate von Johann Sebastian Bach wurde von Aktivist Gerd Büntzly ein neuer Text verpasst.

Ekkehart Hausen ist schon seit drei Jahren bei den Musikblockaden von "Lebenslaute" dabei. Heute setzt er seine Stimme ein, um "die Flüchtlingspolitik aufs Korn zu nehmen".

Kein gemeinsamer Chor

Zwischen der Konzertgruppe und den Mitarbeitern des Ministeriums kommt es nur zu wenigen kurzen Gesprächen. "Die meisten haben kein Interesse am Dialog mit den Musikern," stellt Mitorganisator Keunecke fest. Auf den Umwegen zu ihrem Arbeitsplatz nehmen ein paar Flyer mit. Andere beschweren sich. "Das geht alles von unserer Arbeitszeit ab", erklärt eine Frau, die im Ministerium arbeitet, aber weder ihren Namen noch ihre Stellung nennen will. "Wenn jemand aus einem Kriegsland stammt, kann er ja bleiben. Aber wenn Menschen illegal kommen, klauen und dann sagen Deutschland sei ein reiches Land, ist das nicht in Ordnung", ist ihre Meinung zu dem Thema.

Die Forderungen der Musiker finden bei einem ebenfalls namenlosen Polizisten mehr Anklang: "Teilweise kann man die ja verstehen". Die Eingänge des Ministeriums zu blockieren, sehe er aber nicht als gerechtfertigt an. Bis neun Uhr hält die Konzertblockade die Zugänge zum Ministerium geschlossen. Die Polizei räumt schließlich die Zufahrt zur Tiefgarage. Einige Musiker müssen weggetragen werden, um den Weg frei zu bekommen. Am Haupteingang bildet die Polizei ein Spalier und schleust die Arbeitswilligen durch Notenständer und Transparente zu ihren Arbeitsplätzen.

Gegen 12 Uhr findet sich die Orchestertruppe dann noch einmal vor dem Haupteingang zusammen, um ein gemeinsames Abschlusskonzert zu geben. Trotz Platzverweisen von der Polizei wird am Ende Tango getanzt. Die nächste Musikaktion von "Lebenslaute" ist im August geplant. Dann soll gegen die Stationierung von Atomwaffen in Büchel musiziert werden.

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