Agrarreform der EU: Bauern, Bohnen und Speck

Die EU-Minister wollen die Landwirtschaft umweltverträglich machen. Zu Besuch bei einem Bauern, der profitieren könnte und einem, der Verluste befürchtet.

Diese Sau in Niedersachsen liegt zwar auf echtem Stroh, aber muss ständig ferkeln Bild: dpa

FRÖMERN/KESSEBÜREN taz | Wilhelm Eckei streift mit der Hand durch die einen Meter hohen Pflanzen mit den schwarz gefleckten weißen Blütenblättern. „Das sind Ackerbohnen“, sagt Eckei, 51 Jahre alt und Bauer im nordrhein-westfälischen Dorf Frömern. Er steht auf einem seiner Felder und betrachtet seine nächste Ernte.

Bohnen gehören zu den Leguminosen – einer Pflanzenfamilie, die im Boden Stickstoff bindet und dadurch umweltschädliche Dünger überflüssig macht. „Die Bohnen bekommen meine Schweine“, erzählt Eckei. Ackerbohnen statt Sojabohnen, für deren Anbau in Südamerika oft Urwald und Kleinbauern weichen müssen. Viele Umweltschützer würden sagen, dass Eckei eine Menge richtig macht.

Landwirt Eckei schaut diese Woche gespannt nach Luxemburg und Brüssel. Dort wollen sich die EU-Agrarminister mit EU-Parlament und der EU-Kommission bis Mittwoch auf eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik in den Ländern der Europäischen Union einigen.

Von den jährlich rund 60 Milliarden Euro Subventionen für die Landwirtschaft soll ein größerer Teil als bisher an Betriebe fließen, die mehr für die Umwelt unternehmen als bisher gesetzlich vorgeschrieben ist. Leguminosen-Bauern wie Eckei könnten also mehr Geld bekommen.

Die größten Bauern kriegen das meiste Geld

Bei den Verhandlungen steht eine Menge auf dem Spiel: Etwa 40 Prozent des EU-Haushalts fließen in die Agrarpolitik. Dabei ist laut Wissenschaftlern die Landwirtschaft hauptverantwortlich dafür, dass Tier- und Pflanzenarten in Europa aussterben. Die Bauern bewirtschaften 47 Prozent des Bodens in der EU. Und sie verursachen laut Umweltbundesamt 13 Prozent der Treibhausgase in Deutschland.

Dennoch verteilt die EU die wichtigste Subventionsart – die Direktzahlungen – hauptsächlich nach der Flächengröße der Betriebe: Wer die meisten Hektar Land hat, bekommt auch am meisten Geld. Natürlich müssen sich die Empfänger an die Gesetze etwa zum Düngereinsatz halten. Aber ansonsten ist es bei der Subventionsberechnung egal, wie die Bauern wirtschaften.

Dieser Grundsatz solle sich ändern, haben EU-Parlament, Agrarminister und Kommission in ihren Positionspapieren für die Verhandlungen festgelegt. Mindestens 30 Prozent der Direktzahlungen könnten Landwirte nur noch dann erhalten, wenn sie bestimmte Ökoauflagen erfüllen. Sie müssten zum Beispiel mehrere Fruchtarten anbauen. So sollen Monokulturen verhindert werden, in denen sich Schädlinge schneller vermehren, was zu mehr Pestiziden auf den Äckern führen kann.

Wichtigstes Kriterium ist, dass die Bauern einen Teil ihrer Ackerfläche „im Umweltinteresse“ nutzen. Das können Brachen, Hecken oder Streifen mit Wildblumen sein. Wahrscheinlich werden aber auch Hülsenfrüchte wie bei Bauer Eckei anerkannt.

Umstritten ist, wie groß die Ökoflächen sein sollen. Die EU-Kommission fordert 7 Prozent, das Parlament 3 Prozent ab 2015 und 5 Prozent ab 2016, während der Ministerrat 2015 mit 5 Prozent starten will. „Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass wir mit 5 Prozent der Ackerfläche beginnen“, sagt der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling, der als Schattenberichterstatter für die kleinen Fraktionen im Parlament die Verhandlungen begleitet.

2.600 Schweine hinter der Hygieneschleuse

5 Prozent ist für Eckei ein Klacks. „Ich habe auf 10 Prozent Leguminosen“, erzählt er. „Leguminosen bringen nicht so einen Ertrag wie Raps oder Getreide, von der Menge nicht und vom Geld her auch nicht. Aber Geld ist ja nicht alles“, sagt Eckei, der bei der ökologischen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft aktiv ist.

Heiner Bückers Hof ist nur knapp fünf Kilometer entfernt von Eckeis, im Ort Kessebüren. Aber es liegen Welten zwischen ihnen. Beide halten Schweine und bauen das Futter selbst an. Doch Eckei hat 300 Schweine, Bücker dagegen 2.600.

Eckeis Tiere behalten die Ringelschwänze und leben auf Stroh in einem offenen Stall mit Auslauf. Bückers Schweine leben in zwei von der Außenwelt durch Hygieneschleusen abgeschotteten Gebäuden. Den Ferkeln wird innerhalb von drei Tagen nach Geburt die Schwanzspitze mit einer Rasierklinge abgeschnitten – damit die Tiere sie sich nicht aus Langeweile auf den kahlen Betonböden gegenseitig abbeißen.

Eckeis Schweine bleiben ruhig, wenn man ihren Stall betritt, Bückers springen auf und rennen hektisch durch die Box. Während Eckei seine Tiere über das tierfreundliche „Neuland“-Programm vermarktet, liefert Bücker unter dem agrarindustriellen „QS“-Siegel, das auch Discounter nutzen.

Richtige Richtung oder Belastung?

Für Eckei geht die geplante Agrarreform in die richtige Richtung – Bücker sieht die Vorschläge zu den Flächen im Umweltinteresse als zusätzliche Belastung. „Wir müssten 5 Hektar aus der Produktion nehmen“, sagt der 34-jährige Agraringenieur. Leguminosen kämen nicht in Frage, weil sie unrentabel seien. Tatsächlich liefert ein Feld Hülsenfrüchte 50 Prozent weniger Ertrag als ein Acker mit Getreide.

Leguminosen haben für Bücker auch den Nachteil, dass sie nicht gedüngt werden. „Dann werde ich die Gülle von meinen Tieren nicht los.“ Weniger Schweine will er nicht halten, das würde seinen Gewinn senken. Hecken oder Bäume, die als Flächen im Umweltinteresse gelten könnten, stehen zwar am Rande seiner Felder.

Aber sie gehören meistens der Gemeinde – würden also nicht auf seine 5 Prozent angerechnet. Bücker sieht nicht ein, warum er mehr für die Subventionen tun soll als bisher. Die Umweltschäden – das ist kein Thema. „Wir produzieren schon auf einem hohen Qualitätsniveau und bekommen trotzdem nicht genug Geld“, sagt er.

Die biologische Vielfalt leidet unter der Einfalt

Bücker ist kein Einzelfall. Die meisten Bauern in Deutschland verzichten auf Hülsenfrüchte. Nach einer Schätzung des bundeseigenen Thünen-Instituts machen Brachen und andere anrechnungsfähige Landschaftselemente im Schnitt nur 2,1 bis 3,5 Prozent der Ackerfläche aus. Deutschland könnte also ein bisschen grüner werden, wenn die EU-Reform mehr verlangt.

Aber eben nur ein bisschen. „Wir haben schon 55 Prozent der Arten verloren und müssen jetzt massiv eingreifen“, sagt Reinhild Benning, Agrarexpertin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Sie fordert mindestens 10 Prozent Fläche für den Artenschutz. „Es ist ein Netz von Rückzugsräumen für Arten nötig, damit sie sich bewegen und vermehren können.“ Dafür reichten 5 Prozent nicht.

Sicher ist, dass die EU die Agrarmilliarden weiter ungleich verteilen wird. Derzeit kassieren 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der Direktzahlungen. Es wird in Zukunft zwar einen Aufschlag für die ersten Hektar geben, was kleinen Höfen nützen würde. Außerdem wird diskutiert, die Direktzahlungen pro Betrieb zum Beispiel auf 365.000 Euro zu begrenzen. Aber selbst wenn dieser Vorschlag durchkäme: Er ist so lasch und enthält so viele Ausnahmen, dass er nur wenige Betriebe träfe.

Einen wir Neuland-Bauer Eckei wurmt das. Die Großbetriebe hätten schon Vorteile, weil sie zum Beispiel Saatgut billiger einkaufen könnten, sagt er. Und immer mehr kleine Höfe geben auf. „Das“, klagt Eckei, „wird auch mit dieser Reform nicht gestoppt.“

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