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Sehr guter Kommentar, schön quer zum Mainstream. Weg von den überkommenen Denkschemata: Damit kommt man der Realität näher als durch simplistische Gleichungen wie "Wahlen gleich Demokratie". Mehr davon!
2 entscheidende Dinge wurden leider ausgeblendet:
1. In Osteuropa gab und gibt es eine große gebildete Mittelschicht und eine hohes Niveau der Wissenschaften, während inden abrischen Ländern ein großer Teil geringe bildung hat oder gar Analphabeten sind.
2. Die überbordendne rolle des Islam, den viele über den Staat und seine Gesetze stellen, ist und bleibt ein Hindernis für Demokratie. Ohne Säkularisierung gibt es dort keine Demokratie.
"Wahrscheinlich wird der politische Islam eine größere Rolle spielen. Und möglicherweise wird sich die Situation für Frauen und Minderheiten erst mal verschlechtern, bevor es aufwärtsgeht. Falls es aufwärtsgeht."
Dann wäre es besser, alles wäre so geblieben wie es war. Kein Diktator kann schlimmer sein als der Politische Islam aka Islamofaschismus.
In Staaten, in denen der orthodoxe Islam dominiert, mag es durchaus mal demokratische Wahlen geben. Demokratie, wie wir sie verstehen, ist dagegen so gut wie unmöglich, denn der orthodoxe Islam, den viele gern "Islamismus" nennen, hält die Idee, dass Menschen Gesetze machen, für gotteslästerlich, oder besser gesagt, allah-lästerlich, denn nach Auffassung des orthodoxen Islams wurden die Gesetze ein für alle mal von Allah bestimmt, der Mensch hat lediglich die Pflicht diese Gesetze zu implementieren.
"Islamisten", d. h. orthodoxe Muslime können sich durchaus formell demokratischer Prozesse bedienen (Erdogan: "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind...") um ihr Ziel zu erreichen das ewigen und unveränderlichen Allah-Gesetze zu implementieren, denn nicht selten erscheinen ihnen Wahlen als geeignetes Mittel dieses Ziel zu erreichen, doch dauerhaft die Gesetzgebung in die Hände des Volkes zu geben, verstieße eben gegen Grundvorstellungen des orthodoxen Islams.
Auch Glaubens- und Meinungsfreiheit und eine ganze Reihe anderer Grundrechte und Freiheiten sind nicht mit dem orthodoxen Islam zu vereinbaren. Deshalb ist die Hoffnung, dass es nur ein Frage der Zeit ist, bis echte Demokratie in orthodox-islamisch geprägte Gesellschaften einzieht, nicht weiter als eine süße Illusion.
Nichteuropäische Gesellschaften können durchaus demokratisiert werden. Japan und Indien sind gute Beispiele dafür, doch im Kerngebiet der islamischen Welt waren einigermaßen demokratische Verhältnisse bisher nur in zwei Staaten zu finden: in christlich geprägten Libanon und in der von Atatürk gewaltsam entislamsierten Türkei.
In dem Maße wie in beiden Ländern der orthodoxe Islam an Terrain gewinnt, geht es auch dort mit der Demokratie bergab.
Toll, wie die TAZ es immer wieder schafft auch die unpassensten Themen mit Nazis und Deutschland zu verbinden. Die Entstehungen von Demokratien können also nur mit Gewalt vollzogen werden - das zeigt uns zumindest der Artikel... das könnte also ein Grund dafür sein, dass viele einer "Demokratie", wie wir sie leben müssen eher skeptisch gegenüber stehen. Zum Glück sind wenigstens in WEST-Europa die Wege zur Demokratie ohne Guillotine und Bürgerkriege abgelaufen... und schneller ging es auch!
Danke...Danke..Danke...für diesen Kommentar. Er entspricht genau dem, was ich auch immer versuche anderen klar zu machen, die meinen dass der Arabische Frühling schon gescheitert sei, weil in Ägypten due Muslimbrüder an die Macht kamen. Deutschland brauchte allein 100 Jahre von den Anfängen demokratischer Bewegungen 1845 bis hin zu einem halbwegs demokratischen Staat.
So, oder so
Ich glaube, das es sein kann, das die Prozesse in den Ländern des Nahen Ostens noch von anderen als die vom Autor beschriebenen Einflüsse abhängig sind, die die Entwicklung entscheidend beinflussen kann, so, oder so. Ich meine die Veränderungsprozesse in den westlichen Zivilisationen, insbesondere in der Nachbarschaft, Europa und Türkei und USA Hier finden ja im Moment auch große Umbruchprozesse statt, denkt man an den Datenskandal, Eurokrise (Jugendarbeitslosigkeit, Armutslöhne…), Wirtschaftskrise, Kapitalismuskrise, Umweltkrise…neue Handelsbündnisse.. . Die Antworten die wir finden werden auch die Prozesse dort mit beeinflussen.
Der grundlegende Unterschied ist der extrem hohe Anteil von faktischen Analphabeten und ultrareligiösen Fundies in Ägypten. Das Land wird auf absehbare Zeit keine Demokratie im westlichen Sinne werden können, denn letzlich fußen solche auf den Ideen der Aufklärung und des Sekularismus.
Als es damals in Tunesien anfing habe ich gleich die Geschichte der ganzen Russischen Revolution und der Französischen Revolution nachgelesen und geschrieben, daß es nach der ersten Stufe einer Revolution immer automatisch schlechter für die Menschen wird, weil die eingefahrenen Wege der Versorgung, der Produktion und des Handels unterbrochen werden. Dadurch haben radikalere Gruppen Gehör und beginnen dann mit Guillotine und Gulag. Heute wissen wir diese Abläufe, haben aber noch nicht gelernt sie in eine revolutionäre Strategie und Bildungsarbeit einzubeziehen. Deshalb "Fragend schreiten wir vorann"
Soviel, sokurz.
Wer sich noch immer mit Göttern beschäftigt, ist einfach noch nicht wirklich Mensch. Glaube an Götter ist heutzutage einfach ethisch nicht mehr vertretbar.
Mit solchen Leuten will ich definitiv nix zu tun haben, so wie mit Robbenschlächtern, Sklavenhändlern, Rockerbanden, Kinderschändern, Heroinhändlern, Scientologen, ... und all dem anderen mannigfaltigen inhumanen Gesocks...
"Doch wäre der Arabische Frühling bereits ein Winter, sähe es auf dem Tahrirplatz aus wie auf dem Platz des himmlischen Friedens in China oder in den Gefängnissen nach der Grünen Bewegung 2009 im Iran."
ähm, der platz des himmlischen friedens war kindergarten im vergleich zum arabischen frühling und wann gab es mit abstand die meisten militärtribunale in ägypten? genau, in der zeit nach mubarraks sturz.
Bravo!
Wie kann man ernsthaft auf die Idee kommen, mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht regieren zu wollen? Das BSW ist eine rein destruktive Kraft.
Debatte Arabellion: Die große Ungeduld
Weder in Deutschland noch in Mittel- und Osteuropa verlief die Demokratisierung geradlinig. Für Ägypter mag das frustrierend sein, aber es gehört dazu.
Vermutlich wird sich ihre Lage erstmal verschlechtern: Demonstrantin in Kairo. Bild: ap
Schon mal einen Frühling im Nahen Osten erlebt? Das ist kein sanftes Erblühen mit zarten Knospen und lauen Winden. Meist bringt er Sandstürme, Unwetter und sintflutartige Regenfälle mit sich. In Europa und den USA wird angesichts der dramatischen Ereignisse in Ägypten, der brutalen Gewalt in Syrien und der Rückschläge in den anderen Ländern des Arabischen Frühlings die Frage laut: War’s das jetzt mit der Arabellion?
Nein, sie ist nicht vorbei. Die Aufstände sind eine historische Zäsur. Der Arabische Frühling entspricht schlicht den lokalen Wetterverhältnissen. Realistischerweise kann niemand erwarten, dass die autoritären Systeme nahtlos in Demokratien übergehen. Es fehlt nicht an gutem Willen, aber es fehlt an Demokraten. Hinzu kommen die gut organisierten Islamisten mit ihrer disziplinierten Anhängerschaft, die wichtige politische Player sind, deren demokratische Überzeugung aber in Zweifel steht.
Die Lage ist kompliziert und frustrierend für die Beteiligten, aber auch typisch für Länder im Umbruch. Der Prozess der Demokratisierung ist immer von Instabilität begleitet, von Rückschlägen und Enttäuschungen. Die Rebellion in der arabischen Welt ist durchaus vergleichbar mit den Umbrüchen in Mittel- und Osteuropa. Auch dort erblühte nicht gleich die Demokratie. Stattdessen nahmen zunächst Armut, Kriminalität und Gewalt zu.
Was machen die mit meinen Daten? Die Titelgeschichte "Wir wissen, was du morgen tun wirst" lesen Sie in der taz.am wochenende vom 6./7. Juli 2013. Darin außerdem: Im Dschungel Ecuadors wehrt sich ein Dorf gegen die Begierden der Erdölindustrie. Und der Streit der Woche zur Frage: Darf man öffentlich knutschen? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
In Russland träumt man noch immer und rund 30 Jahre nach Glasnost und Perestroika von einer lupenreinen Demokratie. In Ostdeutschland brannten nach dem Mauerfall Flüchtlingsunterkünfte und erstarkte erst einmal der Rechtsradikalismus.
Jetzt bitte nicht arrogant werden
Sollte man sich also die Mauer, den Kalten Krieg und die Diktatur zurückwünschen, weil die Verhältnisse stabiler und irgendwie sicherer und geordneter waren? Oder wollten die Westdeutschen die bleiernen Jahre vor 1968 zurück, nur weil aus dem Aufstand der Jugend auch die RAF hervorgegangen ist?
Der Aufstand in den arabischen Ländern ist nicht besser und nicht schlechter als die Umwälzungen in anderen Ländern der Welt. Es werden Fehler gemacht, und das Bündnis der Aufständischen mit dem ägyptischen Militär ist ganz sicher einer. Und es ist unklar, ob tatsächlich Demokratien entstehen, wie sie uns, dem Westen gefallen. Wahrscheinlich wird der politische Islam eine größere Rolle spielen. Und möglicherweise wird sich die Situation für Frauen und Minderheiten erst mal verschlechtern, bevor es aufwärtsgeht. Falls es aufwärtsgeht.
Aus den Rückschlägen, wie wir sie in Ägypten erleben, gleich zu schließen, dass die arabischen Länder nicht zur Demokratie taugen, ist anmaßend und ignorant. Die ersten deutschen Versuche mit der Demokratie endeten in einer Diktatur mit verheerenden Folgen für ganz Europa. In Deutschland hat man daraus Konsequenzen gezogen: Wer die Demokratie nutzen will, um die Demokratie abzuschaffen, wird zu Wahlen nicht zugelassen. Vielleicht wäre das auch ein gangbarer Weg für die arabischen Revolutionsländer, mit Extremisten umzugehen.
Der Demokratisierungsprozess dort wird ganz sicher zehn Jahre dauern, vielleicht länger. Bis die demokratischen Systeme in den Revolutionsländern verankert sind, könnten auch Jahrzehnte ins Land gehen. Das ist eine Zeitspanne, für die man in unserer schnelllebigen Zeit keine Geduld mehr hat. Die Langsamkeit von politischen Prozessen entspricht nicht der Geschwindigkeit von Facebook-Likes, Shitstorms und Twitter-Gewittern.
Doch wäre der Arabische Frühling bereits ein Winter, sähe es auf dem Tahrirplatz aus wie auf dem Platz des himmlischen Friedens in China oder in den Gefängnissen nach der Grünen Bewegung 2009 im Iran. Der Wille zur Freiheit und der Wunsch nach Mitbestimmung sind keine westliche Eigenart. In Ägypten, Syrien, Tunesien, Libyen und dem Jemen wird es nie mehr so sein wie vorher – auch wenn die Revolutionen noch unvollendet sind.
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Zehn Jahre Arabischer Frühling
Kommentar von
Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
Themen
Das Dossier
Auch Jahre nach Beginn des „Arabischen Frühlings“ reißen die Massenproteste nicht ab. Ein ganzes Jahrzehnt ist tief durch die Arabellion geprägt. Im Schwerpunkt-Dossier „Zehn Jahre Arabischer Frühling“ berichten taz-Korrespondent*innen und Gastautor*innen aus den Umbruchsländern vom Maghreb über Nordafrika bis nach Syrien, den ganzen Nahen Osten und die arabische Halbinsel.