Kommentar über den Vegesacker Volksmob: Eine Schande

In Vegesack wurden mobile Flüchtlingsunterkünfte durch Bürger und Beirat verhindert. Statt Sachargumente überwogen die Ressentiments eines rassistischen Mobs.

In Vegesack wurde die Errichtung von Mobilbauten für Flüchtlinge durch den Beirat verhindert. Es hätte sachliche Argumente gegen die Container-Wohnungen gegeben. Es hätte diskutiert werden können, wo und ob es bessere Orte für Flüchtlinge gibt.

Doch Bürgern und der Beiratsmehrheit ging es nicht um eine Diskussion. Und nicht um das Wohl der Flüchtlinge. Staatsrat Horst Frehe wurde niedergebrüllt. Ebenso alle, die nicht kategorisch gegen die Unterkunft waren. Rassistische Kommentare wurden öffentlich vorgetragen, menschenverachtende und neonazistische Anmerkungen durch die Zuschauerreihen geraunt.

Die AnwohnerInnen haben ihre Ressentiments nicht akademisch verpackt wie in Schwachhausen und im Viertel, es waren nicht nur ein paar Verwirrte. Nein: Was im Vegesacker Beirat am Donnerstag auftrat, war ein rassistischer Volksmob.

Das Schlimmste ist: Dies wurde nicht nur zugelassen, sondern Beiratsparteien hatten die Leute mobilisiert. Die Stammtisch-PolitikerInnen von SPD bis „Bürger in Wut“ benutzten die Unterstützung gegen das Ressort. Damit haben sie sich schuldig gemacht. Die Beiratsmitglieder sind verantwortlich für das, was war, und für das, was kommt. Sie schwammen nicht nur auf der Welle der rassistischen Ressentiments, sie haben die AnwohnerInnen bestärkt. FDP-Mann Buchholz wollte VertreterInnen des Integrationsrates und des Vereins Zuflucht zum Schweigen bringen. Jene, die vom Leben der Flüchtlinge in anderen Stadtteilen hätten erzählen können. Statt von ihrer Expertise zu profitieren, wurden sie niedergebrüllt.

Schuldig gemacht hat sich auch Ortsamtsleiter Dornstedt. Vielleicht war er gekränkt, dass er aus der Innenstadt zu spät informiert wurde. Vielleicht ließ er das Horst Frehe nun durch seine Bürger wissen. Er hätte bei rassistischen Kommentaren eingreifen müssen, hätte die Sitzung abbrechen müssen. Einen Mann, der mit Neonazi-Parolen agitierte, lässt er reden. Stattdessen ermahnte er den Linken-Beirat Sabri Kurt, sachlich zu bleiben. Dornstedt hat nicht versucht, die Aggressivität zu unterbinden.

Was in Vegesack passiert ist, ist eine Schande. Und es macht Angst. Nicht auszudenken, wie es werden soll, wenn die Wutbürger richtig loslegen. Schon die Beiratssitzung erinnerte jene, die es erlebt haben, an die Zeit Anfang der 1990. Es liegt nun an allen Vernunftbegabten, zu verhindern, dass Vegesack Schule macht.

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stellv. Leiter des Ressorts Reportage & Recherche. /// Recherche-Schwerpunkte: rechte Szene und deren Terror, Desinformation, IT-Sicherheit, Antisemitismus, Flüchtlingspolitik und Rassismus gegen Roma in Südosteuropa. /// Zuvor: Produktentwickler der taz im Netz, Chef vom Dienst der taz nord in Hamburg, Redakteur und Volontär der taz in Bremen. /// Seit 2011 Journalist bei der taz, mehrere Jahre zudem auch beim NDR. /// Soziologe und Kulturwissenschaftler, Studium in Bremen und Melbourne, Forschungsaufenthalt in Phnom Penh /// Im März 2020 erschien: "Rechte Egoshooter. Von der virtuellen Hetze zum Livestream-Attentat" im Ch. Links Verlag Berlin, herausgegeben mit Andreas Speit. /// Kontakt über Threema: UWSDA226 /// PGP-Fingerprint: 3045 4A0E 6B81 226A A64E 0790 36BF 9C3A 6EC6 5D1F und PGP-Key https://keys.openpgp.org/search?q=baeck%40taz.de

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