Filialen oder Gewerbemix?: Vermieter fordern Vielfalt

Grundeigentümer in der Langen Reihe wollen nicht an Filialisten vermieten. Der Stadtteilbeirat vermutet eine PR-Aktion statt Sorge um den Gewerbemix.

Kampf für Vielfalt: In der Langen Reihe ist das immer wieder Thema - jetzt auch bei den Gewerbeflächen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Elf Vermieter von Gewerbeflächen in St. Georg haben angekündigt, ihre Läden in Zukunft nicht mehr an Handelsketten vermieten zu wollen. Sie wollen verhindern, dass inhabergeführte Geschäfte verdrängt werden und die Gewerbemieten an der Langen Reihe weiter explodieren, schreiben die Immobilien-Unternehmer in einer Absichtserklärung. Die Gewerbevielfalt im Stadtteil solle erhalten bleiben, schreiben sie weiter.

Diese Selbstverpflichtung haben die wichtigsten Gewerbevermieter der Langen Reihe unterzeichnet. Sie haben auch dafür gesorgt, dass sie eine Ausnahmeklausel enthält: Jeder Unterzeichner soll weiterhin seine unternehmerischen Interessen nach eigenem Ermessen verfolgen – auch wenn dies im Ausnahmefall die Vermietung an große Filialketten bedeute.

Im vergangenen Jahr hatte die drohende Schließung der Traditionsbuchhandlung Wohlers für Protest in St. Georg gesorgt – die Miete sollte verdreifacht werden. Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hatte Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) daraufhin gebeten, zu einem runden Tisch einzuladen. Die Absichtserklärung ist jetzt ein Ergebnis dieser Gespräche.

Das Ziel: Soziale Erhaltensverordnungen sollen dabei helfen, die Zusammensetzung der ansässigen Wohnbevölkerung in von Gentrifizierung betroffenen Stadtteilen zu erhalten. Auf Gewerbeflächen lässt sich die Verordnung bisher nicht anwenden.

Die Regeln: In Stadtteilen, in den das Instrument eingesetzt wird, müssen Modernisierungen, Bauvorhaben und insbesondere die Umwandlung von Miet- und Eigentumswohnungen gesondert genehmigt werden. Darüber hinaus erhält die Stadt ein allgemeines Vorkaufsrecht.

Die Einsatzorte: Eine Soziale Erhaltensverordnung gilt derzeit in der südlichen Neustadt, in St. Georg, auf St. Pauli und der Sternschanze. Aktuell wird geprüft, ob der Einsatz einer Sozialen Erhaltensverordnung auch für Wilhelmsburg sinnvoll ist.

Ob diese Selbstverpflichtung wirklich dazu beiträgt, die Gewerbevielfalt zu erhalten, ist umstritten. „Die Erklärung der Grundeigentümer ist eine reine Marketingaktion“, sagt Michael Schwarz, Mitglied des Stadtteilbeirats St. Georg. „Die Erklärung wird ein niedriges Mietniveau nicht wiederherstellen und somit auch die Abwanderung von langjährigen GewerbemieterInnen nicht verhindern können“, sagt Schwarz.

Es gehe nicht darum, ob Filialisten oder inhabergeführte Läden die Geschäfte betreiben, sondern um den Gewerbemix. Zurzeit gehe es nur darum, Touristen nach Hamburg zu locken, und nicht um die Bedürfnisse der Anwohner. Das betreffe auch viele inhabergeführte Geschäfte. „Es ist die Vielzahl an Restaurants und Kneipen, welche das Mietniveau explodieren lassen“, sagt Schwarz. Er fordert, den bestehenden Bebauungsplan zu ändern, um zusätzliche Gastronomie zu verhindern.

Ob die Selbstverpflichtung den gewünschten Effekt haben wird, ist in der Bezirkspolitik umstritten. „Wir werden abwarten müssen, um zu erfahren, ob diese Absichtserklärung mehr ist als eine gute PR-Maßnahme“, sagt Bernhard Stietz-Leipnitz, Fraktionsvorsitzender der Linken in der Bezirksversammlung. Dass die Grundeigentümer das Quartier erhalten wollen, sei wichtig, „aber ich würde mir deutlichere Maßnahmen von SPD und Verwaltung wünschen“, sagt Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Die SPD-Bezirksabgeordnete Susanne Kilgast lobt hingegen die Selbstverpflichtung. Das sei „ein Schritt in die richtige Richtung“.

Der Stadtteilbeirat St. Georg hatte angeregt, die für Mietwohnungen bestehende Soziale Erhaltensverordnung auch auf Kleingewerbe auszuweiten. Hierzu ist allerdings eine Gesetzesänderung auf Bundesebene notwendig.

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