Revival der „Formel Eins“-Musikshow: Das Zentrum der Popreligion

Die Musikclipshow „Formel Eins“" wird wiederbelebt – nicht in der ARD, sondern im Spartenkanal RTL Nitro. Dafür wie einst mit dem Moderator Peter Illmann.

Die neue „Formel Eins“-Sendung: Leider ohne Kai Böcking (links). Bild: imago/apress

Die Meldung, verbreitet über etliche Internetdienste, die sich auf Verbreitung von Entertainmentnachrichten spezialisiert haben, gab Rätsel auf: Bitte? „Der Clipshow-Klassiker ’Formel Eins‘ kommt zurück“, titelte es bei T-Online-News – und das auch noch mit dem einstigen Moderator Peter Illmann.

Für Jüngere sei erläutert: „Formel Eins“ war eine 1983 erstmals ausgestrahlte Popmusikshow der ARD, der Ansager war nämlicher Peter Illmann.

Es war ein Programmangebot, das noch in Zeiten fehlender Konkurrenz durch private TV-Sender aus der Taufe gehoben wurde: Die ARD wollte die schon damals in seinem Publikumsprofil fehlende Jugend gewinnen. „Formel Eins“ sollte diesem Trend zur gerontoiden Verstaubtheit Einhalt gebieten.

Der Inhalt der Sendung, die stets am nachmittäglichen Samstag aufgeführt wurde, war simpel, wie es ja alle Popshows sind: Ein Moderator sagt etwas zwischen Musikstücken an. Aber es waren eben nicht irgendwelche Acts, es mussten vielmehr Clips (so der damals gängige Ausdruck) sein. Und das war der heißeste Scheiß im Popbereich für Teenies unterhalb der Erwachsenheitsaltersschwelle überhaupt.

Mainstreamig, chartorientiert und menschenfreundlich

Jüngere Menschen werden fragen: Clips? Ja, Videofilmchen von einzelnen Popsongs gibt es im ausdrücklichen Sinne erst seit den frühen achtziger Jahren – was aber nicht existierte, war das Internet und damit natürlich auch Youtube. Insofern war „Formel Eins“ so etwas wie das TV-Zentrum der Popreligion jener Jahre, sehr mainstreamig, chartorientiert und menschenfreundlich. Erfrischend und neu – und fern einer Intellektualität, die Papiermagazine wie Spex transportierten.

Mit der Show sind auch ModeratorInnen wie eben Illmann, Ingolf Lück, Stefanie Tücking und Kai Böcking prominent geworden. Ohne diese ARD-Spielwiese der Juvenilität hätten Newcomer wie Nena, Trio und Grönemeyer, Depeche Mode, Duran Duran oder die Eurythmics nicht ihren Weg in den Himmel jugendlicher Verehrung gehen können.

Und das soll jetzt wiederbelebt werden? Eine ästhetische Leiche, eine natürlich keineswegs hässliche Antiquität aus dem TV-Gestern? Nein, die Meldung ernst genommen wird im Herbst „Formel Eins“ reloaded – als Oldiekonstrukt. Das heißt, Illmann wird nach dem „Chart Show“-Muster beim Hauptsender die 30 besten Musikclips jener Jahren präsentieren.

Das wird also keine Show für Menschen unter 20, mit Teenagersorgen ums Hübschsein, um Coolnesszwänge und Verbrauchertipps, um kein Modeopfer zu werden. Sondern für deren Eltern, die diese Show einst seligen Angedenkens im Herzen behalten haben.

Sie sind heute so zwischen Mitte vierzig und fünfzig, machen sich um Ruhestände Sorgen und sollen es genießen. Echte Jugendliche werden auf das heutzutage Gängige zurückgreifen, wollen sie Filmchen mit Pop sehen: aufs Internet.

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