Das alte Märchen von „Es war einmal im Westen“

DEBATTE Mit „Former West“ im Haus der Kulturen der Welt will man den Westen etwas globaler sehen

Kunst kann schon helfen, auch über ziemlich festgezimmerte Grenzen hinwegzukommen. Und das nicht nur metaphorisch und im Kopf mit einem frei flottierenden Denken, sondern manchmal selbst auf dem Boden der sogenannten Tatsachen. Jedenfalls soll es wiederholt Menschen gelungen sein, mit dem Vorzeigen eines NSK-Reisepasses internationale Grenzen zu überqueren. Dabei ist der – sich recht offiziell gebende – Pass „nur“ ein Kunstprodukt und international eigentlich überhaupt nicht anerkannt.

Ausgegeben wurden die Dokumente vom slowenischen Künstlerkollektiv NSK (Neue Slowenische Kunst), das sich Anfang der neunziger Jahre gleich einen ganzen virtuellen Staat gönnte, mit Verfassung, Flagge und eben auch Pässen, die man sich zum Beispiel vor 20 Jahren ausstellen lassen konnte, als der NSK-Staat in Berlin in der Volksbühne gastierte.

Das NSK-Passbüro ist nun im Rahmen von „Former West“ im Haus der Kulturen der Welt zu sehen. Und auch eine Dokumentation zu Christoph Schlingensiefs damals leidenschaftlich umstrittener Aktion „Ausländer raus“ im Rahmen der Wiener Festwochen 2000. Oder, etwas aktueller, das „Twenty Cigarettes“-Video von James Benning, in dem der Filmermacher 20 Menschen je für sich beim Rauchen einer Zigarette zuschaut. Was im „Former West“-Beiheft auch als Anspielung auf eine der zentralen Wertvorstellungen des Westens und des allweil mit dem Akt des Rauchens verbundenen American Way of Life und seiner Losung von „Freiheit und Unabhängigkeit“ gesehen wird – was nun eben diskutiert sein soll bei „Former West“, einem seit 2008 laufenden transdisziplinären Forschungsprojekt, das in seiner Berliner Station ab heutigem Montag eine Woche lang „Dokumente, Konstellationen, Ausblicke“ präsentiert.

Ausgangsthese bei „Former West“ ist dabei, dass trotz einschneidender Wenden in der Welt der Westen hartnäckig an der Fiktion seiner eigenen Überlegenheit festhalte. Wie die zeitgenössische Kunst diese Fiktion aus den Angeln zu heben vermag und zugleich die Zukunft neu denken kann, will man in einem dicht gepackten Programm mit Workshops, Vorträgen und Diskussionsrunden untersuchen. TM

■ Former West: 18.–24. 3. im Haus der Kulturen der Welt, Tagesticket 8/5 Euro. www.formerwest.org