Rechtsextreme werden in Ruhe gelassen: Geheimdienst schützte seine V-Leute

Verfassungsschützer verhinderten 1999 ein Verbot des Neonazi-Netzwerks Aktionsbüro Nord wegen Quellenschutzes.

Dem Verfassungsschutz sei Dank: in sicheren Schuhen Bild: dpa

HAMBURG taz | Der Staatsschutz des Hamburger Landeskriminalamts hat 1999 ein Verbot des „Nationalen und sozialen Aktionsbündnis Norddeutschland“ – kurz „Aktionsbüro Nord“ genannt – erwirken wollen und ist von den Inlands-Geheimdiensten gestoppt worden. „Wir hatten die Neuorientierung führender Kader nach dem Verbot der Nationalen Liste verfolgt, die wieder bei gewalttätigen Aktivitäten und Aufmärschen den Ton angaben“, sagt ein ehemaliger Staatsschützer der taz. Sie hätten sich als „Freie Nationalisten“ in einem Kameradschafts-Netzwerk zusammengeschlossen. „Das war eine gefährliche Entwicklung“, sagt der Fahnder, „doch der Verfassungsschutz hat interveniert, weil er seine Quellen schützen wollte.“

Woran es genau gelegen habe, dass sich die Polizei nicht durchgesetzt habe, kann der taz-Informant nicht sagen. „Wir hatten damals mit Herrn Woydt einen Polizeipräsidenten, der sich in dem Metier nicht auskannte“, vermutet er. In der Tat hatten damals die Verfassungsschützer von Niedersachen, Hamburg und im Bund ihr Veto eingelegt, – wie aus geheimen Unterlagen hervorgeht – um ihre V-Leute nicht zu gefährden. Darunter den V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz Michael S.*

„Mein Bestreben war, das Aktionsbündnis zu verbieten“, erinnert sich der damalige Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD). Es sei eine Struktur gewesen, die es kompliziert gemacht habe. „Das war für uns alleine nicht möglich, und die anderen Länder haben nicht mitgespielt“, sagt er. Ob der Verfassungsschutz Einfluss genommen habe, weiß Wrocklage nicht. „Das kann ich nicht bestätigen, für das Hamburger Landesamt kann ich mir das schwer vorstellen.“

Hamburg habe dann einen anderen Weg eingeschlagen und sich auf den „Hamburger Sturm“ konzentriert. Der sei eine „Aktionseinheit“ und Nachfolge-Organisation der verbotenen Nationalen Liste (NL) gewesen. Im August 2000 ließ die Innenbehörde den „Sturm“ verbieten. „Wir hatten damit bundesweit Neuland betreten, das war eine Meisterleistung der Juristen in der Innenbehörde“, sagt Wrocklage heute. Denn erstmals war eine Kameradschaft nach dem Vereinsgesetz verboten worden. Und damit hatte Wrocklage das richtige Gespür gezeigt.

Denn die Neonazi-Szene im Norden hatte sich nach den Organisationsverboten schnell wieder aufgerappelt und neue Strukturen gebildet. So wurden Freie Kameradschaften in Hamburg, Niedersachen, Schleswig-Holstein, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern gegründet, die vom Aktionsbüro Nord koordiniert wurden. Die Gallionsfiguren waren der Hamburger NL-Ideologe Christian Worch, der Neonazikader Thomas „Steiner“ Wulff, sowie die Köpfe des „Hamburger Sturms“, Torben Klebe, Jan Steffen Holthusen und Tobias Thiessen.

Aufgrund des großen Anteils an Führungspersonen kam dem Aktionsbüro bundesweit eine wichtige Rolle zu – es hatte Vorbildcharakter. So hatten Wulff, Thiessen und Klebe Ende der 1990er-Jahre auch Kontakte zum Netzwerk „Thüringer Heimatschutz“, aus dem später das Zwickauer Nazi-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe als „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) hervorgegangen sind. In der Garage des NSU-Trios ist das Magazin Sonnenbanner gefunden worden, für das der V-Mann Michael S. mitverantwortlich zeichnete.

Und schon längst hatte damals auch der „Hamburger Sturm“ zum nationalen Untergrund Kontakt aufgenommen und in seinem Magazin ein Interview mit einem Aktivisten der „national-revolutionären Zelle“ abgedruckt: „Wir sind im Krieg mit diesem System und da gehen nun mal einige Bullen und sonstige Feinde drauf“. Schon damals gab es also Indizien für einen bewaffneten Kampf aus dem Umfeld des Aktionsbüros. Auch wurden in der rechten Szene offen Konzepte des bewaffneten Widerstands diskutiert, was Mitte 2000 in der Gründung von „Combat 18 Pinneberg“ um den Neonazis Peter Borchert und Klemens Otto mündete. Vom „Sturm“ und „Combat 18“ wurden Morddrohungen gegen den damalige Elmshorner IG Metall -Chef Uwe Zabel ausgestoßen und Anschläge auf verschiedene Einrichtungen verübt.

In dieser Zeit gingen die Verfassungsschutzämter jedoch davon aus, dass es intakte Untergrundstrukturen in der rechten Szene nicht gäbe und für solche Zellen kein tragendes legales Umfeld vorhanden sei, sagte der damalige Hamburger Verfassungsschutz-Chef Reinhard Wagner (CDU): „Ein terroristisches Netzwerk besteht nicht.“ Damit irrte er. Da das Aktionsbüro die Schaltstelle war, wollten die Geheimdienste offensichtlich damals diese Quellen offen halten. Bis heute sind alle Kader aktiv.

*Name der Redaktion bekannt

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