Wahl in Berlin: Die Piraten: „Scheiß klarkriegen!“
Die Piraten geben sich nach dem Wahl-Fiasko selbstkritisch. Fraktionschef fordert Linksschwenk.
Bei den Kreuzberger Piraten ahnte man es schon vor der Wahl. Man dürfe am Sonntag „die Erfolgsmesslatte nicht zu hoch hängen“, appellierte ein Mitglied vergangene Woche über den Email-Verteiler der Partei. Die Piraten seien ja „ein langfristiges, gesellschaftliches Projekt“, jeder Zugewinn zu 2009 ein Erfolg.
Es war nicht viel mit Zugewinn. Wie im Bund stürzten die Piraten auch in ihrer vermeintlichen Hochburg Berlin ab, hier holten sie 3,6 Prozent. Das sind zwar 0,2 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Bundestagswahl, bleibt aber weit hinter früheren Umfragewerten im zweistelligen Bereich. Die Piraten liegen damit gleichauf mit der FDP und noch hinter der „AfD“. Nur in Friedrichshain-Kreuzberg wurde die Fünf-Prozent-Hürde genommen: 6,2 Prozent. Eine Schmach.
Landeschef Gerhard Anger hofft trotzdem, dass seine Partei nun nicht verschwinden wird: „Die Probleme, die wir ansprechen, bleiben ja“, so Anger. Wohl aber müssten die eigenen Erfolge besser vermittelt werden.
Andere wurden deutlicher. „Wir müssen mal unseren Scheiß klar kriegen“, schrieb Ex-Fraktionschef Christopher Lauer auf seinem Blog. Weder habe es eine griffige Kampagne gegeben noch sei man glaubwürdig. „Wir haben all das nicht, was wir in unseren Programmen fordern.“ Lauer appellierte, endlich Basisdemokratie umzusetzen und Online-Parteitage einzuführen. Zudem müsse man raus aus dem Internet, rauf auf die Straße. „Lasst uns was Echtes machen.“
Leicht gesagt. Denn postwendend hielt Fraktionskollege Gerwald Claus-Brunner dagegen. Wo bei Online-Parteitagen „die Schnittstelle für den Bürger(wähler)“ sei, twitterte der, müsse man ihm erstmal erklären. In der Fraktion wurde das als „Einzelmeinung“ abgetan.
Fraktionschef Oliver Höfinghoff sagte, seine Partei müsse sich endlich nach ihrem Programm positionieren: „progressiv und links“. „Wir müssen uns mehr trauen, auch mal eine steile These aufstellen.“ So hätte man in der NSA-Affäre klar eine Abschaffung von Geheimdiensten fordern sollen.
Ob ein Linksschwenk reicht? Der Landesverband verlor in den letzten Monaten rund 300 Anhänger, liegt jetzt bei 3.500 Mitgliedern. In Tempelhof-Schöneberg lief eine Piraten-Abgeordnete jüngst zur CDU über. Aber wie sagen die Kreuzberger: Entschieden werde auf lange Dauer.
Leser*innenkommentare
Tim Leuther
Genau, Linksschwenk!
Es gibt ja sooo große Lücken bei linken Parteien.
Liberale Parteien gibt es dagegen im Überfluss!
Bastler4711
Gast
Dieser Schwenk ist eine Super Idee.
Schliesslich gibt es dort ja kaum Parteien aber unbegrenzt viele Wähler. Wie sich letzten Sonntag gezeigt hat.
Was in der BRD fehlt, ist eine Partei die unsere Probleme pragmatisch löst ohne diesen nervigen Ideologie-Überbau und ohne doofes rechts-links Geschwafel.
tomas
Piraten gab es schon immer und in jedem Land, welche Partei hat ein so globales Netzwerk mit gleichen Interessen und Vorstellungen zum zukünftigen Aussehen unserer schönen Welt, hier haben Utopien und Visionen noch einen Platz...,
wir entern euch alle (noch)..., ;)
Lasse Einparkinson
@tomas Dann solltet ihr aber vorher den Ponader möglichst weit weg schicken und ihm auch das kommunizieren verbieten, sonst merkt wieder jemand, daß die Freaks bei euch stark überrepräsentiert sind.
tomas
da hast du Recht Lasse...,aber erstmal
verschwinden jetzt alle bei den Piraten die nur schnell in den Bundestag wollten um Geld zu verdienen,
die treten jetzt alle schnell u. freiwillig aus..., ;)
Ein Pirat
Gast
Eigentlich hieß es mal: Piraten sind weder rechts, noch links, sondern vorne.
Im Grundsatzprogramm steht der Satz: Wir wollen Armut verhindern, nicht Reichtum.
El Merk
Gast
Wie immer alles eine Frage der Perspektive. In absoluten Zahlen haben die Piraten von 847.870 auf 958.507 Wähler zugelegt - also um 13 Prozent. Die zwischenzeitlichen irrealen Umfrageergebnisse würde ich nicht gelten lassen. Ich finde es sehr beachtlich, dass eine Million Deutsche trotz Fünf-Prozent-Hürde ein Statement für die Bürgerrechte in digitalen Zeiten machen. Aber der schnelllebige Tagesjournalismus erfordert es wohl, dass man nur in den Kategorien Hochjubeln oder Herunterschreiben agieren kann. Das Thema wird heiß bleiben, gerade weil der unterkomplexe Machtmensch Merkel es genauso offensichtlich ignoriert, wie ihr Oggersheimer Vorbild es damals mit der Umweltproblematik getan hat.
Genau
Gast
@El Merk Nicht zu vergessen die 300%tige Steigerung bei Wählern zwischen 40 und 41 welche mehr als zwei Hunde haben! Der Erfolg soll nicht kleingererdet werden.