Flüchtlingsproteste in Deutschland: Lampedusa hat nichts geändert

In Hamburg mehrt sich Kritik am Vorgehen der Polizei. In Berlin kollabieren immer mehr Menschen beim Durststreik.

Hungerstreik unter Regenschirmen: Flüchtlinge am Brandenburger Tor. Bild: dpa

HAMBURG/BERLIN taz | In Hamburg und Berlin gewinnt der Streit über die Asylbedingungen in Deutschland und den Umgang mit Flüchtlingen weiter an Schärfe. In Hamburg, wo der Senat seit Tagen in einer groß angelegten Polizeiaktion Flüchtlinge aus der sogenannten Lampedusa-Gruppe sucht, kam es in der Nacht zu Mittwoch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auch in Berlin flammten am Mittwoch neue Flüchtlingsproteste auf.

„Wir haben den Eindruck, dass der Hamburger Senat auf eine Eskalation steuert und nicht an konstruktiven Lösungen interessiert ist“, sagte der Vizebischof der evangelischen Nordkirche in Hamburg, Probst Karl-Heinrich Melzer, der taz. Die Kirche kritisiert das Vorgehen der Hamburger Polizei, die seit Tagen Menschen mit dunkler Hautfarbe kontrolliert, um eine Gruppe von Flüchtlingen aufzuspüren und deren Personalien festzustellen.

„Der Senat schützt nicht das in der Verfassung verankerte Asylrecht, sondern das Kleingedruckte in irgendwelchen Rechtsvorschriften“, kritisierte auch Anne Harms, Leiterin der Initiative Fluchtpunkt. „Wenn wir einem Flüchtling empfehlen, der Aufforderung des Innensenators nachzukommen, sich der Ausländerbehörde zu stellen, müssen wir ihm sagen, dass er sich an seiner eigenen Abschiebung beteiligt. Wer sich bei der Ausländerbehörde meldet, wird abgeschoben.“

In der Nacht zu Mittwoch lieferten sich in Hamburg Autonome Scharmützel mit der Polizei. Antifa-Gruppen hatten dem Hamburger Senat zuvor ein „Ultimatum“ gestellt, die Suche nach Flüchtlingen einzustellen. Am Dienstagabend versammelten sich dann rund um das autonome Zentrum „Rote Flora“ bis zu 2.000 Demonstranten zu einer unangemeldeten Spontandemonstration. Es kam zu Flaschen- und Steinwürfen sowie zu Festnahmen.

Vom Hungerstreik ins Krankenhaus

Auch in Berlin spitzt sich die Situation beim Hunger- und Durststreik von Flüchtlingen vor dem Brandenburger Tor weiter zu. Am Mittwoch mussten mindestens 7 der 29 Streikenden ins Krankenhaus gebracht werden, weil sie kollabiert waren. Einige von ihnen waren bereits am Dienstag zusammengebrochen und ärztlich behandelt worden. Dennoch waren sie am nächsten Tag zum Protest zurückgekehrt.

Die Flüchtlinge fordern die Anerkennung ihrer Asylanträge und eine bessere Lebenssituation in den Flüchtlingsunterkünften. Einige von ihnen waren bereits beim Hungerstreik in München vor einigen Wochen dabei. Die neue grüne Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg besuchte die Streikenden am Mittwoch und versprach ihnen, sich beim Bundesinnenministerium und dem ihm untergeordneten Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF) für einen Gesprächstermin einzusetzen.

Die Flüchtlinge hätten erklärt, sobald sich der Leiter des BaMF gesprächsbereit zeige, würden sie auch wieder trinken, sagte eine Mitarbeiterin von Amtsberg der taz. Beim Bundesinnenministerium zeigte man sich davon allerdings unbeeindruckt. „Es gibt ein rechtsstaatliches Verfahren, das ist für alle gleich“, daher sehe man keine Möglichkeit für Gespräche, erklärte ein Sprecher des Ministeriums der taz.

Ebenfalls am Mittwoch blockierten die Flüchtlinge, die seit rund einem Jahr auf dem Kreuzberger Oranienplatz kampieren, eine Straße und lösten damit für einige Stunden ein lokales Verkehrschaos aus. Mit der Blockade wollten sie an die Flüchtlingskatastrophe vor der italienischen Insel Lampedusa vor einigen Tagen erinnern.

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