Kommentar Pkw-Maut: Bayerischer Schatten über Berlin

Populist Seehofer will die Pkw-Maut für Ausländer. Ein Gewinnerthema bei den Koalitionsverhandlungen wird das sicher nicht – eher Verhandlungsmasse.

Könnte bald in Deutschland Realität werden. Bild: dpa

Mit der Juristerei ist das so eine Sache: Die einen sagen so, die anderen so, und wer recht hat, weiß man erst, wenn die letzte Instanz entschieden hat. So ist es auch bei der Frage, ob eine Pkw-Maut in Deutschland europarechtlich zulässig sei, die ausländische Autofahrer voll belastet, während inländischen eine Kompensation durch Senkung der Kfz-Steuern winkt.

Jetzt hat EU-Verkehrskommissar Siim Kallas angedeutet, dass dieses Vignettenmodell prinzipiell in Ordnung sei. Auch wenn das letzte Wort noch nicht gesprochen ist und in Brüssel munter heruminterpretiert wird: Für den Mautverfechter und CSU-Chef Horst Seehofer ist das ein Erfolg. Er darf nun mit seiner Position gleichberechtigt am Tisch der Koalitionsverhandlungen in Berlin Platz nehmen. Entscheiden müssen die Koalitionäre in spe – und da bleiben in der Sache viele Zweifel an der Maut.

Wobei bei den Verhandlungen zwischen CDU, SPD und CSU nicht nur sachliche, sondern auch sachfremde Argumente eine Rolle spielen. Wird die Maut vielleicht gar eine Kompensation für die von der SPD geforderte doppelte Staatsbürgerschaft, die die CSU ablehnt?

Der begnadete Populist Seehofer, der schon mit seinem Widerstand gegen die Kopfpauschale im Gesundheitssystem nah am Bürger war, hat sich diesmal die Stimmung vieler bayerischer Autofahrer zu eigen gemacht. Sie mögen es nicht, in Tschechien oder Österreich per Maut zur Kasse gebeten zu werden, während die Nachbarn umsonst über deutsche Straßen kurven. Die Maut würde dies beenden.

Fragwürdige Lenkungswirkung

Sonst aber ist die Maut – aus guten Gründen – in Deutschland unbeliebt; auch der mächtige Autofahrerclub ADAC macht Front dagegen. Seine Befürchtung: Einmal eingeführt, kann sie immer wieder erhöht werden – ohne Kompensation bei der Kfz-Steuer. Auch die Umweltverbände lehnen die Jahresvignette ab. Denn die könnte Autofahrer dazu verleiten, bei geplanten Reisen erst recht nicht auf die Bahn umzusteigen, da sie ja schon für die Straßennutzung bezahlt haben. Die Vignette hat somit keine vernünftige verkehrspolitische Lenkungswirkung.

Diese ließe sich mit einer streckenbezogenen Maut erzielen, aber die lässt sich nicht sinnvoll umsetzen. Der Aufbau der dafür nötigen Überwachungsinfrastruktur ist viel zu teuer, um von der Bevölkerung – sie zahlt letztlich dafür – akzeptiert zu werden. Und kaum jemand möchte, dass zur Abrechnung der Mautgebühren eine private Firma penibel erfasst, wer wann wohin wie schnell gefahren ist.

CDU und SPD werden sich also dreimal überlegen, ob sie sich viel Ärger einhandeln wollen, um Seehofer zu helfen. Ein Gewinnerthema ist die Maut keinesfalls. Am Ende könnte die Vignette also bleiben, was sie schon häufiger war: bayerische Verhandlungsmasse in Berlin.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.