Ortstermin: Mit der „Bild“-Gesellschaftsreporterin beim Neujahrsempfang
: Für Höhepunkte zu hanseatisch

Manchmal sei es schwer, die 30 oder 60 Zeilen voll zu bekommen, stöhnt Miriam. „Dann schreibt man halt übers Essen“

Die wichtigste Lektion gleich am Anfang: „Die Kunst des Gesellschaftsreporters“, sagt Miriam, „ist es, auf so subtile Weise fies zu sein, dass die Betroffenen es nicht merken.“ Dann schlendern wir ein wenig durch die Lokalprominenz. Ein Küsschen hier, ein Smalltalk da. „Das ist ein Journalist“, stellt Miriam mich dem einen oder anderen vor, „der mal gucken möchte, wie oberflächlich wir doch alle sind.“

3.000 Gläser sind poliert worden, 800 Liter Bier kaltgestellt, 6.000 Häppchen vorbereitet und 100 Servicekräfte rekrutiert. Nichts scheint zu teuer für den „Ahoi“-Neujahrsempfang im Hamburger Empire Riverside Hotel. Sogar einen eigenen Wein hat man gekeltert. Später, beim Promipokern, werden 2.000 Euro Spenden zusammen kommen. Dresscode: Frack und Abendkleid, steht so auf der Einladung und wird auch so gehandhabt.

„Das Beste was uns passieren könnte, wäre, dass wir jemanden auf dem Klo beim Knutschen erwischen“, erzählt Miriam, winkt dann aber ab. Heute sei das nicht drin. Dazu ist die Gesellschaft viel zu fein, zu hanseatisch. „Aber wenn wir Glück haben, kommt jemand mit seiner neuen Freundin oder wir entdecken eine bis dahin unbekannte Schwangerschaft.“ Manchmal sei es schwer, nach so einer Veranstaltung die 30 oder 60 Zeilen voll zu bekommen, stöhnt Miriam. „Dann schreibt man halt übers Essen“, sagt sie und nimmt sich ein Häppchen vom Tablett.

Irgendwann treffen wir Miriams Kollegin von der Welt, die vorhin Corny Littmanns Neujahrsrede gehört hat. Das erste Mal an diesen Abend holt Miriam ihren Block raus und notiert sich einige Zitate.

Dann treffen wir Miriams Fotografen, der aufgeschrieben hat, wer alles anwesend ist. „Ja, Namen schreiben. Das kann er“, sagt Miriam. „Irgendwer muss das ja machen“, kontert er, „wenn du wieder den ganzen Abend nur am Buffet hängst.“ Als er Miriams Blick bemerkt, korrigiert er sich: „An der Bar, meine ich.“

Es ist mittlerweile halb zehn, Zeit für den Eröffnungstanz im Ballsaal. Getanzt wird zur „inoffiziellen Hymne unserer Hansestadt“, sagt der Moderator: „Hamburg meine Perle“ von Lotto King Karl. Das Licht wird gedimmt, Wunderkerzen erleuchten den Saal. Hinter den Panoramafenstern funkeln der Hafen und das, was man einmal St. Pauli nannte.

Miriam kennt wirklich fast jeden hier. Manchmal weiß sie die Namen zwar nicht mehr genau, aber ihren Namen, den kennen sie alle. Sie wäre wohl auch gekommen, wenn sie keinen Auftrag von der Redaktion bekommen hätte. „Und was machst du, wenn du vom Seitensprung eines Freundes erfährst? Schreibst du das dann auch?“, will ich wissen. „Dann sag ich ihm: Hey, ich weiß Bescheid. Lass uns das doch lieber zusammen machen.“ Ein Angebot, dass man nicht ablehnen kann? „Nein, eher ein ständiges Geben und Nehmen.“

Als wir später ihren Ressortleiter treffen, fängt dieser gleich an, über das Geschäft zu klagen. Die Arbeit im Promibereich werde ja immer schwieriger. Die Promis wollen offenbar nur noch reden, wenn ihre Werbepartner davon profitieren. Auch Miriam hat bis dahin noch kein wirklich fruchtbares Gespräch führen können. Und da wir auch noch keine Schwangerschaft aufgespürt haben, fängt sie langsam an, sich Sorgen zu machen um ihre 60 Zeilen. Kann man nicht einfach schreiben: Die Party war scheiße? Oder auf die Berichterstattung gleich ganz verzichten? „Nein, das geht nicht“, sagt Miriam entschieden. „Der Axel Springer Verlag ist Medienpartner.“ JOHANN TISCHEWSKI