Stadt im Unentschieden

Halbherzigkeit hat einen Namen: Castrop-Rauxel. Die Ruhr-Stadt möchte WM-Quartier werden. Lieblingsgast: Brasilien. Bei der heutigen WM-Auslosung könnte eine Vorentscheidung fallen

VON CHRISTOPH SCHURIAN

Heidi Klum ist für einige die schönste Frau der Welt, für andere hat sie klebrige Fußzehen. Jedenfalls ist das Supermodell gebürtig aus Bergisch-Gladbach, einer Bindestrich-Ortschaft. Und in einer anderen Doppelnamen-Kommune sollte Klum heute Abend für einige Aufregung sorgen: In Castrop-Rauxel.

In den Zwanziger Jahren haben sie auf Halbherzigkeit eine ganze Stadt gegründet – auch wenn für manche die Zweinamenstadt nur die lateinische Version von Wanne-Eickel ist. Wie auch immer: Castrop-Rauxel hat sich einstmals aus vergessenen Gründen Europastadt genannt, jetzt möchte man auf die Weltbühne. Die Auslosung der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Leipzig wird im Revierstädtchen mit gewisser Aufmerksamkeit verfolgt werden – wenn nichts dazwischen kommt.

Auf der Glücksfee der Fifa-WM, auf Heidi Klum, liegen also manche regionalen Hoffnungen. Was holt sie aus der Lostrommel? Welche Mannschaft wird im Fußballwesten spielen, welcher Gruppenerster spielt die Finalrunden in Köln, Gelsenkirchen oder Dortmund? Und werden Gerüchte wahr: In Castrop-Rauxel könnten die Rekordweltmeister aus Brasilianer logieren. Wenn nicht, zumindest Portugal. Oder Trinidad-Tobago. Heute Abend wissen wir mehr. Wenn auch nicht alles.

Warum die Stadt „im Grünen“ überhaupt zum Topquartier taugen könnte, mag ein Blick in die Gelben Seiten verdeutlichen: Um das Rittergut Haus Goldschmieding – zuerst erwähnt im 12. Jahrhundert, erbaut im 16. Jahrhundert – entstand eine Luxus-Hotelanlage, die recht beliebt ist. Das Hotel wird zumindest als Mannschaftshotel des VfL Bochum geführt. Außerdem hat der FC Porto hier logiert, er soll 2004 als Außenseiter ins Finale der Champions League gegangen und als Sieger ins Hotel zurück gekehrt sein. Eine schöne Geschichte, mehr nicht?

Brasilien, Porto, Weltmeisterschaftsquartier – vielleicht sollte sich Castrop-Rauxel „Fußballstadt im Grünen“ nennen? Drei der bekannteren Männer aus der Siedlung in der Emscherzone sind Nationalspieler gewesen: Christian Schreier, Wolfram Wuttke und Klaus Fichtel, sie alle kommen aus der Mittelstadt, die sich nicht auf einen Namen verständigen konnte. Dem ausdauernden Schalker Abwehrspieler Klaus Fichtel ging es ähnlich – hartnäckig nannten sie ihn „Tanne“. Also, wer mag, kann heute Abend kräftig Daumen drücken!