Wetter: Aufs Glatteis geführt
Über tausend Berliner sind ausgerutscht und haben sich verletzt. Wohl auch, weil das Frühwarnsystem versagte
Weil die Krankenwagen nicht reichten, fuhr die Feuerwehr sogar mit Löschfahrzeugen zu den Verletzten: Am Montag gab es so viele Notrufe wie schon seit Jahren nicht mehr. Allein bis 13 Uhr wurden 1.200 Notfälle gemeldet. Wer die 112 wählte, musste teilweise mehrere Minuten warten, bis eine Leitung frei war. Auch das Computersystem der Leitstelle war am Limit. Die Feuerwehr rief für den Rettungsdienst den Ausnahmezustand aus, alarmierte zusätzliche Kräfte von den Freiwilligen Feuerwehren.
Die Ursache: Glatteis durch unterkühlten Regen (siehe unten). Über Stunden stürzten Fußgänger und Radfahrer auf spiegelglatten Straßen und Wegen. Im Unfallkrankenhaus Berlin sowie in den Rettungsstellen der Charité wurden deutlich mehr Patienten behandelt als sonst. „Es gab Hüftbrüche und ausgekugelte Hüften. So etwas tut höllisch weh“, sagte UKB-Sprecherin Angela Kijewski. Auch andere Brüche, Sprunggelenksverletzungen, Bänderdehnungen und Platzwunden am Kopf wurden verarztet.
Es krachten auch viel mehr Autos als sonst ineinander: Während es normalerweise 20 Unfälle pro Stunde in der Stadt gibt, waren es zwischen 10 und 11 Uhr 295 Karambolagen. Bei der Polizei hieß es, etliche Autofahrer hätten sich nach fast frühlingshaftem Wetter nicht genügend auf gefrierenden Regen eingestellt.
Für genau solche Fälle wurde eigentlich „KatWarn“ eingerichtet, das System für Katastrophen- und Unwetterwarnungen. Bereits im Jahr 2009 hatte das Abgeordnetenhaus beschlossen, der Senat solle „prüfen, inwieweit die Bevölkerung künftig in Katastrophen- und Notfällen schneller und umfassender als bisher informiert werden kann“. Das Abgeordnetenhaus empfahl ein Frühwarnsystem per SMS. Es stellte ausdrücklich fest: „Die Mitteilungen sollen kurz und verständlich sein.“ Sogar ein Beispiel war angefügt: „Gefahr! Großfeuer in Wedding. Gesundheitsschädl. Rauch in Mitte und Charl.-Wilm. Haus nicht verlassen, Fenster verschließen und Radio/TV einschalten!“
Inzwischen ist das System eingerichtet. Wer die Frühwarnungen erhalten will, muss eine SMS mit dem Text „KATWARN“ und seiner Postleitzahl an die Nummer 0163-7558842 schicken. Die Warnungen kommen dann per SMS und sind kostenlos. Die Meldungen werden von der Feuerwehrleitstelle verschickt.
Am Montag hat sich das vermeintliche Frühwarnsystem allerdings als Spätwarnsystem herausgestellt. Bereits um 8 Uhr stauten sich die Notrufe derart, dass alle Krankenwagen gleichzeitig im Einsatz waren. Doch erst zweieinhalb Stunden später kam die SMS-Warnung: „Stadt Berlin meldet: Warnung, Extremwetterlage, gültig ab sofort, zu Hause bleiben.“ Um was für eine Art von Extremwetter es sich handelte, stand dort nicht. Die letzten Katwarn-Wetterwarnungen gab es im Dezember, August und Juni – jeweils vor Gewitter mit orkanartigen Böen. Wer diesmal nach der Warnung aus dem Fenster schaute, sah nichts – und wurde direkt aufs Glatteis geführt. Erst mehr als eine halbe Stunde später folgte eine zweite Warnung, diesmal ausdrücklich vor Glatteis. Die Feuerwehr war am Montag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Leser*innenkommentare
Jens Roth
Gast
Grundsätzlich ist es bei KATWARN so, dass meines Wissens bei der App "nur" Warnungen des Deutschen Wetterdienstes vor EXTREMEN UNWETTER herausgegeben werden. Der Eisregen war erst MARKANT und später als UNWETTER bewarnt, also mit der zweithöchsten Warnstufe.
Alle niedrigeren Warnstufen bildet das System normalerweise jedoch nicht ab, ES SEI DENN die Anwender verfassen eine SMS oder Mail. Somit erklärt sich warum z. B. vor Schwerem Gewitter mit orkanartigen Böen gewarnt wurde. Denn dieses stellt nicht die höchste Warnstufe des DWD dar. Die Meldung wurde als dann seinerzeit (wahrscheinlich) von der Feuerwehr-Leitstelle verfasst.
Dies sollte man beachten...
Wer dennoch auch vor Wetter unterhalb der Extrem-Schwelle gewarnt werden will, sollte sich im Netz entsprechend informieren. Es gibt hier im Bereich App und auch SMS kostenfreie wie -pflichtige Dienste.
Sicherlich wird man aber möglicherweise auch bei KATWARN irgendwann alle Unwetterwarnungen des DWD abbilden, spätestens wenn diesem von Seiten der Kommunen ERLAUBT ist auch kleinräumiger (PLZ) zu warnen als er dies bisher darf (Landkreiswarnungen)!
Freundliche Grüße aus dem Westerwald
Jens Roth
Elmar
Gast
Und in China ist ein Sack Reis umgefallen. Ich fände es toll wenn man dieses Sprichwort in Zukunft nicht mehr so benutzen würde (ist ja eh irgendwie schon halb rassistisch). Stattdessen könnte man sagen: "Und in Berlin ist ein Hipster ausgerutscht." Danke.