Butterkuchen in Sahnelage

DOKU Gentrifizierung in Hamburg: „Aufstand im Kiez“, Mi., 22.35 Uhr, NDR

Noch keine drei Jahre ist es her, dass die Bundesanwaltschaft die Verhaftung des Berliner Stadtsoziologen Andrej Holm veranlasste. Er hatte in seinen Publikationen mehrfach den Begriff Gentrifizierung verwendet und war daraufhin in Verbindung mit einer terroristischen Vereinigung gebracht worden. Es spricht vom Erfolg der Stadtteilinitiativen, dass das G-Wort heute in aller Munde ist. Die Erklärung der NDR-Reportage „Aufstand im Kiez“, es handle sich dabei um die Wandlung eines „Arme-Leute-Quartiers zum trendigen Szeneviertel“ wirkt da fast müßig.

Die Autorinnen Ute Jurkovics und Gudrun Kirfel sind dorthin gegangen, wo die Gentrifizierung nicht nur besonders sichtbar ist, sondern auch heftig bekämpft wird: ins Hamburger Schanzenviertel. Die Hansestadt gehört zu den begehrtesten Immobilienstandorten Europas, die altbaugeprägte „Schanze“ zu den Sahnelagen. Mittendrin: die Rote Flora, seit 20 Jahren Hochburg der Autonomen, die sich regelmäßig Straßenschlachten mit der Polizei liefern.

Mit den dramatischen Bildern brennender Barrikaden und prügelnder Polizisten fängt der Film dann auch an. Geschickt rücken die Macherinnen dann den Konditor Norbert Stenzel ins Zentrum. Der betreibt seit 1972 ein Café gleich neben der Roten Flora, und über ihn, oder genauer: seinen Butterkuchen, kommen in der Reportage fast alle weiteren Personen ins Bild: Künstler, die ein kleines Grundstück verteidigen, das die Stadt verscherbeln will, Anwohner, die sich gegen Mieterhöhungen zusammentun, oder arme Schlucker im Jesus Center, wo die Backwaren vom Vortag verteilt werden.

Wer im Film nichts mit Stenzel zu tun hat, kommt von außen und gehört nicht dazu. Ein Großinvestor etwa und das nächtlich lärmende Partyvölkchen. Das macht die Reportage zwar plakativ. Aber sie will ja auch aufrütteln – und klarmachen: Jetzt, wo alle von der Gentrifizierung sprechen, ist der Zeitpunkt da, mit ihr Schluss zu machen. MAP