Sotschi 2014 – Snowboard, Halfpipe: Yolo, man

Mit dem „Yolo Flip“ gewinnt Iouri Podladtchikov den Wettkampf. Der berühmte Shaun White verliert. Die Extrovertiertheit beider grenzt an ADS.

Iouri Podladtchikov schreit. Bild: dpa

BERLIN taz | Es war nicht der erste Absturz eines Favoriten bei den Winterspielen in Sotschi. Doch es war fraglos der mit der größten Fallhöhe. Shaun White, der jahrelange König des Snowboard-Sports, verpasste am Dienstag Abend seine dritte olympische Goldmedaille in Folge deutlich. White landete in seiner Paradedisziplin, dem Halfpipe-Wettbewerb, nicht einmal auf dem Podest, sondern musste sich mit dem undankbaren vierten Platz begnügen.

Der wohl reichste und berühmteste Wintersportler in Sotschi war damit grandios gescheitert und so blieb ihm am Ende nur, den guten Verlierer zu mimen. Das tat er mit sportsmännischer Haltung, umarmte gar den Sieger und lächelte tapfer. Man kann sich jedoch leicht ausmalen, wie es im Inneren des 27-jährigen Amerikaners aussah. Gemessen an dem manischen Perfektionismus und Ehrgeiz, mit denen sich White über ein Jahrzehnt hinweg an der Weltspitze behauptet hatte, muss seine Enttäuschung über die Niederlage maßlos gewesen sein.

Der strahlende Gewinner des Abends hieß Iouri Podladtchikov: ein russischer Migrantensohn, geboren in Podolsk rund 40 Kilometer von Moskau, aufgewachsen in Zürich. Podladtchikov ist erst seit 2007 schweizer Staatsbürger. Davor trug er die russische Flagge bei Wettkämpfen. Die Winterspiele erklärte er schon im Vorfeld zu seinem Heimspiel. „Sotschi ist mein Boden“, hatte er gegenüber der FAS gesagt – und recht behalten.

Dass Podlatchikov nun statt White ganz oben steht, ist an sich kein Wunder, wurde er doch als ärgster Konkurrent des Amerikaners gehandelt. Sein Sieg bezeichnet so gesehen nur das dramatische Finale einer verbissenen Aufholjagd. In Vancouver 2010, als White sein zweites Olympiagold holte, war Podlatchikov Vierter geworden. Der Schweizer zog aus dieser Niederlage die einzig logische Konsequenz. Er eiferte seinem großen Idol umso akribischer nach.

Das Rockstar-Image

Er schaute sich Trainingsmethoden ab und arbeitete sich Stück für Stück an White heran, bis er einen Tricksprung beherrschte, den noch nicht mal der Großmeister gestanden hatte. Der „YOLO Flip“ – ein zweifacher Salto mit vier Schrauben – ist Podladtchikovs eigenstes Werk und die entscheidende Sprungfigur, mit der der Schweizer am Dienstag Olympiagold gewann.

Auch in Sachen öffentlicher Selbstvermarktung orientiert sich Podladtchikov eng an Whites Rockstar-Image. Der Sieger-Habitus der beiden ähnelt sich verblüffend: eine an ADS grenzende Extrovertiertheit, die sich nach jedem erfolgreichen Halfpipe-Ritt in selbstüberhöhenden Jubelposen entlädt.

Genauso wie White inszeniert sich Podladtchikov gern als kreatives Allround-Genie und Playboy. Er ist Fotograf und Modeschöpfer, lässt sich mit teuren Sportwagen ablichten und macht keinen Hehl aus seinem wilden Jetset-Leben. Gegenüber Boulevardmedien neigt er zu selbstgefälligen Sätzen, wie: „Autos sind für mich wie Schuhe für Frauen“ oder „Alle wollen mit mir feiern“.

Bisher schien Podladtchikov nie ganz an die schillernde Persönlichkeit Whites heranzureichen, auch weil die ganz großen sportlichen Erfolge fehlten. Doch die Verhältnisse haben sich zu seinen Gunsten verkehrt. Podlatchikov gewann im letzten Jahr erstmals den WM-Titel in der Halfpipe. Nun hat er sich nach einer herausragenden Saison mit dem Olympiasieg selbst gekrönt und den einstigen Regenten vom Thron gestoßen.

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