Finanzskandal am Wiener Burgtheater: Die letzten Kronjuwelen

Mehr als eine individuelle Fehlleistung: Der Finanzskandal am Wiener Burgtheater verweist auf die ungewisse Zukunft des deutschsprachigen Theaters.

Da ist ein Loch im Theater: 16,16 Millionen Euro Schulden im Geschäftsjahr 2011/12. Bild: imago/waldkirch

Österreich ist eine Republik, hat aber noch immer so etwas wie Kronjuwelen: das Burgtheater und die Wiener Staatsoper. Die „kaiserlich-königlichen Hoftheater“ unterlagen einst der direkten Entscheidungsgewalt des Kaisers. Ihr Fortbestehen als Bundestheater regelt bis heute ein eigenes Gesetz. Mit den Resten imperialen Sternenstaubs mag es auch zu tun haben, dass der Betrieb der Häuser schon immer etwas teurer kommt als anderswo.

Über Geld sprach man lange nicht in Wien. Am Burgtheater tut man dies derzeit um so mehr. Das Haus hat einen handfesten Finanzskandal, der mit der fristlosen Kündigung der Vizedirektorin und vormaligen kaufmännischen Direktorin, Silvia Stantejsky, spektakulär eröffnet wurde.

Was man ihr vorwirft, vermutet man eher in einer fantasielos aktualisierten „Dreigroschenoper“-Aufführung als in der Leitung des größten Theaterbetriebs deutscher Zunge: Abschreibungszeiträume seien willkürlich verlängert worden. Vor Stichtagen habe Stantejsky Bargeld geliehen, um den Kassenstand für Kreditgeber aufzuhübschen. Eine makabre Randerscheinung: Zwei Jahre nach dessen Ableben taucht der Eintrag „Schlingensief“ in einer Liste auf.

Solche Taschenspielereien mögen justiziabel sein. Sie erklären aber kaum, warum das Burgtheater binnen weniger Jahre in eine so bedrohliche Schieflage geraten konnte. Die Rede ist von 16,16 Millionen Euro Schulden im Geschäftsjahr 2011/12 bei einem jährlichen öffentlichen Zuschuss von 46,43 Millionen Euro, von einem Bilanzverlust von 8,3 Millionen im Rechnungsabschluss 2012/13 und drohenden 5 Millionen an Steuernachzahlungen.

Bedrohliche Schieflage

An der EinzeltäterInnentheorie wachsen Zweifel, insbesondere im Burgtheater selbst. Das Ensemble hat in einem für das Haus wohl einmaligen Vorgang Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann und dem Chef der übergeordneten Bundestheater-Holding Georg Springer mit 83 zu 31 Voten das Misstrauen ausgesprochen. Hartmanns Selbstdarstellung als theaterleitender Wunderwuzzi gerät ins Wanken.

In seinen früheren Intendanzen an den Schauspielhäusern in Bochum und Zürich schreibt er sich Sanierungsleistungen zu. Dagegen regt sich nun aus Bochum deutlicher, aus Zürich vehementer Widerspruch. Für den Vorwurf, in Wien ein Defizit übernommen zu haben, droht ihm sein Vorgänger, der derzeitige Münchner Opernintendant Nikolaus Bachler, mit Klage.

Österreich hat gewählt. Die neue Regierung ist zwar die alte, aber mit neuem Personal. Die bisherige Kunstministerin Claudia Schmied hatte Hartmanns Vertrag bei einer durchaus diskussionswürdigen künstlerischen Bilanz der ersten Jahre bis 2019 verlängert. Der neue für die Kunst verantwortliche Kanzler-Intimus Josef Ostermayer und sein christsozialer Widerpart, die Exfinanzministerin und nun ÖVP-Kultursprecherin Maria „Schotter-Mitzi“ Fekter, haben allen Ansinnen auf Subventionserhöhung eine Absage erteilt.

Diese Haltung der Wiener Politik ist richtig und falsch zugleich. Einerseits ist das Burgtheater auch nach Jahren stagnierender Zuschüsse immer noch weit höher dotiert als die anderen großen Repertoiretheater im deutschsprachigen Raum. Zum anderen wird Theater wie jeder Manufakturbetrieb von Jahr zu Jahr teurer.

Politikversagen bis in die 90er Jahre

Wer dasselbe Theater haben will, muss von Jahr zu Jahr mehr dafür zahlen. Wer das nicht tut, muss auf Dauer über andere Organisationsformen im Theater nachdenken. Eine simple wirtschaftliche Tatsache, vor der Kulturpolitiker gerne die Augen verschließen.

In Wien reicht dieses Politikversagen bis in die 90er Jahre zurück. Mit der Gründung der Bundestheater-Holding 1999 hat man die Staatstheater der Form nach zu Privatunternehmen erklärt und dabei übersehen, dass sie nicht unternehmerisch handeln können.

Theater haben mit dem Subventionsgeber einen Monopolisten als „Kunden“, der Dreiviertel der Einnahmen bringt, aber weder mehr zu zahlen bereit, noch ersetzbar ist, nicht durch Dritte und auch nicht durch die übrigen Kunden, die Zuschauer. Eine Reduktion des Aufwandes, wie mehr Schließtage oder ein Übergang zum Stagione-Betrieb sind unpopulär oder im Falle der Burg sogar gesetzlich untersagt. Wer mehr Einnahmen durch Zuschauer haben will, muss noch mehr Geld ausgeben und zwangsläufig damit scheitern.

Systemfrage stellen

An der Burg wird man sich über ein paar Geschäftsjahre mit einmaligen Spareffekten retten. Nur irgendwann wird das Fett einmal auf das Produktionsniveau deutscher Großbühnen abgeschmolzen sein. Spätestens dann muss die öffentliche Hand den Zuschuss erhöhen oder die Systemfrage stellen und das Ende des Repertoiretheaters verantworten. Das ist am Ende sogar weniger bedrohlich, als es zunächst klingt.

Mit Blick ins west- und nordeuropäische Ausland, gepaart mit etwas politischer Fantasie lassen sich sehr wohl Modelle entwerfen, in denen sich künstlerische Qualität und soziale Sicherheit für KünstlerInnen besser realisieren lassen, als im von Sparpolitik demontierten Repertoiretheater. Es geht dann nur nicht an jedem Abend an jeden Ort der Lappen hoch. Kulturpolitik muss endlich entscheiden statt aufzuschieben, sonst treffen sich die Entscheidungen irgendwann selbst.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.