Streit um geplantes Containerdorf: Tränen auf der Pferdewiese

Ohne Wissen der Anwohner wurde am Hamburger Stadtrand eine Flüchtlingsunterkunft geplant. Nun beschuldigen sich die Behörden gegenseitig

Eine Aussicht, gegen die so mancher Mobil macht: Wohncontainer für Flüchtlinge Bild: dpa

HAMBURG taz | Es ist ein Schildbürgerstreich: Im Hamburger Süden, im Heimfelder Ortsteil Bostelbek, haben die städtische Sozialbehörde und der Bezirk Harburg eine neue Flüchtlingsunterkunft geplant, ohne die AnwohnerInnen zu informieren. Und noch bevor diese Pläne bekannt wurden, ließ der Bezirk eine infrage kommende Fläche roden – offenbar illegal. Denn ein Bauantrag, die Voraussetzung für eine solche Fällaktion, liegt bis heute nicht vor.

Die Folge dieses Planungschaos: Ein unter Beschuss geratener Baudezernent, eine in Tränen aufgelöste SPD-Abgeordnete und eine rasch erstarkende Bürgerinitiative gegen die geplante Unterbringung, der die Argumente frei Haus geliefert wurden.

Als am 19. Februar dieses Jahres Bäume am Rand einer ehemaligen Pferdewiese gefällt wurden, erfuhren die AnwohnerInnen, dass auf der Brachfläche zehn zweistöckige Wohncontainer für insgesamt 216 Asylbewerber aufgestellt werden sollen. „Die Entscheidung, dass die Fläche geeignet ist, ist nicht kommuniziert worden“, sagt Bettina Maak, die Sprecherin des Bezirksamts Harburg. Ihr Dienstherr, Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD), beteuert, erst Anfang Februar von den Plänen der Sozialbehörde erfahren zu haben. Die wiederum will den Bezirk bereits im September vorigen Jahres darüber informiert haben, dass die Fläche in Bostelbek für ein Containerdorf geeignet sei.

„Das alles hat mit Bürgerbeteiligung rein gar nichts zu tun“, sagt Rolf-Dieter Fischer, CDU-Fraktionschef in Harburg, der sich im anstehenden Wahlkampf über die unerwartete Schützenhilfe ausgerechnet von den Sozialdemokraten freuen dürfte. Denen überreichte die Bürgerinitiative Bostelbek am Dienstag auf der Sitzung der Bezirksversammlung einen großen Eimer, gefüllt mit „Wählerstimmen“ – die die SPD in Zukunft nicht mehr bekommen werde. Anschließend trug die Initiative noch einmal ihre Argumente gegen die Unterbringung vor: Mit 216 Plätzen sei sie für den kleinen Ort überdimensioniert, zudem sei der Standort isoliert und so schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden, das von einer Integration der Bewohner nicht die Rede sein könne.

Erklärtermaßen richtet sich die Initiative nicht allgemein gegen Flüchtlinge, sondern nur gegen diesen Standort in dieser Größe. Gleichwohl: Als Fischer ankündigte, auch gegen alle anderen von der SPD vorgeschlagenen Unterbringungsoptionen in Harburg zu stimmen, bekam er aus Reihen der Initiative tosenden Applaus.

Bei der örtlichen SPD lagen die Nerven am Dienstag blank: Fraktionschef Jürgen Heimath ging öffentlich auf seinen Parteifreund, den Harburger Baudezernenten Jörg Penner los: Dieser sei für die rechtswidrig gefällten Bäume verantwortlich. „Wir können uns nicht vorstellen, wie wir weiter mit ihnen zusammenarbeiten sollen“, sagte Heimath. „Überlegen sie mal, welche Konsequenzen sie daraus ziehen.“

Unter Tränen erklärte die SPD-Abgeordnete Dagmar Overbeck dann ihre Enttäuschung ob der mangelnden Transparenz – immmerhin sei sie einst in die Politik gegangen, „um die Welt zu verändern“. Nun aber laufe das schon in Bostelbek so schief und mit ihrer Partei könne sie in dieser Frage sowieso nicht stimmen.

Spätestens da muss Christdemokrat Fischer entschieden haben, sich die gute Laune nicht mehr nehmen zu lassen. Das Grinsen jedenfalls war an diesem Abend in seinem Gesicht wie festgefroren.

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