Kein bisschen Frieden: Ciao, Bella Ostermarsch

Stagnierende Teilnehmerzahlen, kaum junge Leute, Protestlieder von vorgestern: Der Friedensmarsch konnte seinen eigenen Bedeutungsverlust nicht stoppen.

Wenigstens der Osterhase war nicht von gestern. Bild: dpa

Überwiegend rote Fahnen auf der Weidendammer Brücke, überwiegend graue Haare unter den Teilnehmern des diesjährigen Ostermarsches. Das Durchschnittsalter der Demonstrierenden, die am Samstag unter dem Motto „Krieg wird gemacht – wir stellen uns dagegen“ durch Berlins Mitte marschierten, war hoch.

Dabei war das Spektrum an Parteien, Bündnissen und Organisationen auf der alljährlichen, bundesweit stattfindenden Friedensdemonstration durchaus bunt gemischt: die Deutsche Kommunistische Partei hatte selbstredend ihre Anhänger mobilisiert, ebenso die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands, die Linke war vertreten, die Globalisierungskritiker von Attac schwenkten ihre Fahnen, aber auch syrische Gruppen protestierten: „Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr“, „no drones“ oder „Atomwaffen verschrotten“.

Gerade im Hinblick auf den Ukraine-Konflikt hatten die Veranstalter des Marsches, die in der Friedenskoordination Berlin zusammengeschlossenen Bündnisse und Organisationen, für dieses Jahr eigentlich auf eine größere Teilnehmerzahl gehofft. Sprecherin Laura Wimmersperg sah im Vorfeld ein großes Mobilisierungspotenzial – am Ende sollten laut Polizei 700 Menschen auf der Straße gewesen sein. Den Veranstaltern zufolge waren es rund 1.000 Teilnehmer, die von der Weidendammer Brücke über die Oranienburger Straße und Karl-Liebknecht-Straße bis zum Bebelplatz zogen – in etwa genauso viele wie im Jahr zuvor. Angemeldet waren 2.000 Teilnehmer.

Der Ostermarsch leidet seit Jahren an Bedeutungsverlust: Was 1960 in der Bundesrepublik als pazifistischer Protest gegen die atomare Aufrüstung begann, entwickelte sich bis 1968 zu einer bundesweiten Massenbewegung mit 300.000 Demonstrierenden. Danach flaute das Interesse allerdings wieder ab, erlebte nur in den achtziger Jahren ein kurzes Revival. In den letzten Jahren versammelten sich in den deutschen Großstädten nur noch jeweils rund 1.000 bis 2.000 Menschen. Die DDR-Führung instrumentalisierte die Ostermarschgesänge für ihre Zwecke – und ließ sie auf den Ostberliner Maidemonstrationen anstimmen.

Auch die Lieder, die am Samstag gesungen werden, zeugen von längst vergangenen Zeiten: „Bella Ciao“ – und das Einheitsfrontlied von Brecht und Eisler „Es kann die Befreiung der Arbeiter nur das Werk der Arbeiter sein. Drum links …“.

Nicht überraschend also, dass der Ostermarsch kaum junge Menschen anzog. Auf der diesjährigen Unterstützerliste fanden sich außer dem Berliner Bündnis Schule ohne Militär keine jungen Organisationen.

Die wenigen jungen Menschen, die am Samstag mitlaufen, glauben, dass die Jugend sich nicht mehr für derartige Demos begeistern könnte: weil der Ostermarsch zu etabliert und zu unkonkret sei statt Ausdruck zielgerichteter Empörung.

Ein junge Frau berichtet von dem Flashmob vor der US-Botschaft letztes Jahr, um gegen die Todesstrafe und für die Freilassung des schwarzen Aktivisten Mumia Abu-Jamal aus der Todeszelle zu protestieren: Das sei kreativer, konkreter Protest.

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