Süßstoff gerät unter Krebsverdacht

Ist Aspartam giftig? Das Süßungsmittel steckt in Bonbons, Kaugummis oder Limonaden. Wissenschaftler haben den Stoff jetzt an Ratten getestet: Die Tiere erkrankten an Leukämie und Lymphkrebs. „Produkte vom Markt nehmen“, fordert ein Toxikologe

VON KATRHIN BURGER

Diabetiker schwören auf ihn, Schlankheitsbewusste auch: Der Süßstoff Aspartam ersetzt den Zucker in mehr als 6.000 Lebensmitteln. Darunter Bonbons, Frühstücksflocken, Joghurt, Kaugummi und Limonaden. Doch die künstliche Süße, so warnen jetzt Wissenschaftler, hat bittere Nebenwirkungen.

Italienische Forscher fütterten 1.800 Ratten über drei Jahre lang mit Aspartam. Die Diagnose: Vor allem weibliche Tiere auf Süßstoff-Diät hatten Leukämie und Lymphkrebs. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) will nun die neuesten Studiendaten des Ramazzini-Instituts in Bologna einsehen – und die Zulassung von Aspartam prüfen.

Der Süßstoff ist seit langem umstritten. Wissenschaftler haben ihn schon in über tausend Studien unter die Lupe genommen. Viele Tests hat auch die Industrie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sind widersprüchlich. Die europäischen Behörden gehen derzeit aber davon aus, dass Aspartam unbedenklich ist für alle Verbraucher, die normal essen und trinken.

Die Einschätzung könnte sich als falsch erweisen. Die Ramazzini-Forscher verabreichten den Ratten Dosen, die auch Menschen zu sich nehmen, wenn sie sich von Getränken mit Süßstoff ernähren. Der Deutsche Süßstoffverband allerdings wirft den Experten Fehler vor. Die Studie habe sich nicht an internationale Standards gehalten. Sie sei falsch designt gewesen. Und es gäbe nicht mehr Leukämiekranke in Regionen, in denen viel Aspartam konsumiert werde. Doch der Münchener Lebensmittelexperte Udo Pollmer weist darauf hin, dass schon früher Wissenschaftler vor den Krebsfolgen von Aspartam gewarnt haben: „Der US-amerikanische Hirnforscher John W. Olney zum Beispiel, und an seiner Seriosität ist nicht zu zweifeln.“ Die Hinweise der italienischen Studie seien genauso eindeutig, meint der Kieler Toxikologe Hermann Kruse – auch wenn es „nur eine Rattenstudie ist“. Kruse: „Ich würde als Hersteller mein Produkt jetzt vom Markt nehmen.“ Im Jahre 1999 hatte der Schweizer Produzent NutraSweet, hinter der Monsanto steht, Hermann Kruse verklagt. Der Wissenschaftler hatte damals im Fernsehen behauptet, Aspartam könne zum Krebsgeschehen einen Beitrag leisten. NutraSweet verlor jedoch den Prozess. Die wissenschaftlichen Fakten seien unklar, erklärten die Richter. Kruse habe daher lediglich seine Meinung geäußert.

Aspartam galt zunächst lediglich als Arzneimittel. Es lindert Schmerzen. Dann entdeckte die Lebensmittelindustrie den Stoff, der 200-mal süßer ist als Zucker. Aspartam, auf der Verpackung häufig als E 951 gekennzeichnet, konsumieren derzeit rund 175 Millionen Menschen weltweit.

Bis die Ramazzini-Studie überprüft sei, so teilte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit mit, könnten EU-Bürger auch weiterhin sorglos zu Aspartam-Gesüßtem greifen. Das sind zum Beispiel die „Light“-Produkte.

Anders als viele glauben, helfen Süßstoffe allerdings gar nicht beim Abnehmen. Im Gegenteil: Der Süßstoff sorgt dafür, dass besonders viel Insulin ausgeschüttet wird. Und dieses Hormon gibt an den Körper den Befehl: Fett auf den Hüften bunkern! „Süßstoffe haben sich deshalb schon seit Jahrzehnten als Hilfsmittel in der Tiermast bewährt“, erklärt Experte Pollmer.