Onlinewahlkampf der CDU: Aalglatte Halbglatzen

Innovativ, klassisch oder peinlich? Wir analysieren, wie sich die Parteien während des Europawahlkampfs im Netz schlagen. Dieses Mal: die CDU.

Großflächenplakatdownload – ein Kompositum so deutsch wie die CDU. Tabelle: http://www.cdu.de

Die Parteiseite

Flash-Animationen sind out. Minimalistische Wordpress-Template-Ästhetik ist in. Vielleicht ist das aber auch die knochentrockene Pragmatik der Christdemokraten. Die verwendeten Farben auf ihrer Website sind, neben simplem Weiß, ein Streifen Grau und das einlullende Du-bist-in-Sicherheit-Orange, welches auch auf den Werbeplakaten verwendet wird.

Der Seitenaufbau: In der orangenen Leiste oben links, ein Häuschen für die Hauptseite der CDU. Daneben der Button für ein „Menü“, welches bei Betätigung übersichtlich aufklappt. Rechts in der Leiste sind die Punkte „Spenden“ und „CDUplus“ für Mitglieder untergebracht. Dann noch ein Such- und ein Mailbutton. Zum folgen und liken gibt es neben dem Banner Facebook, Twitter und Google plus. Einfachste Bedienung und große Schrift. Wahrscheinlich auch für die älteren Wähler im jungen Internetz.

Das Banner: Ein Foto eines Ausschnitts der EU-Flagge. Während die Grünen zum Beispiel tendenziell eher in moralapostolischer Manier den ottonormalen Surfer mit den ernsthaften Problemen dieser Welt konfrontieren, beruhigt die CDU erstmal mit einem nüchternen: „Materialien zur Europawahl“ als Headline. Dann ein kurzer und griffiger Text. Erst einmal das Datum der Wahl. Alle Achtung! Die erste Partei, die es schafft im ersten Satz zu informieren was passiert und vor allem wann. „Das ist alles nicht so einfach aber gemeinsam kriegen wir das schon hin,“ suggeriert der generelle Schreibstil auf der Seite.

Seichte Worte, beschwichtigende Formulierungen. Schlau gemacht. Warum? Weil die auf Plakaten verwendeten Slogans und übersichtlichen Texte auf der Seite so bodenständig und unaufdringlich daherkommen, das jede Omi und jedes Küken vom Provinz-Gymnasium XY denken kann: „Och. Das ist doch schön und gut für unser Land, äh Europa.“ Nichts spricht dagegen. Denn was kann besser sein als jemand der Freiheit, Sicherheit, Chancen und Arbeit verspricht, ohne dafür Opfer zu fordern? Großartig. Ist doch alles gar nicht so schlimm wie die Linken oder Rechten oder alle, die sonst noch so im Schatten der CDU stehen immer sagen. Bloß keinen Stress bitte!

Der Text liefert im Weiteren einen Hinweis auf den schmerzhaften Roundhousekick der Finanzkrise und ihrer Auswirkungen auf die letzte Europawahl 2009. Mensch! Jeder macht mal Fehler. Doch wie bescheiden bemerkt wird: „Heute hat Deutschland diese Krise eindrucksvoll überwunden.“ Nicht die CDU sondern Deutschland. Unter Merkels Führung natürlich. Aber das wird nicht erwähnt. Ein weiterer Sympathie-Pluspunkt bei Omi und ihrer Enkelin.

Die Wettbewerber verwenden Worte wie „kämpfen“ und „gegen“ und bei Gott: „Herausforderung!“ Die Partei der soliden Wirtschaft und der christdemokratischen Werte konnte mit ihren europäischen Partnern stattdessen „die Eurozone stabilisieren.“ Und nun, fünf Jahre später, hat sie ein „ehrgeiziges Programm für Europa erarbeitet.“

Unter dem Text in Leserichtung: TV- und Radio-Spots, die wichtigsten Personen, also Merkel und der deutsche Spitzenkandidat David McAllister, die Termine für deren Ansprachen und das CDU Wahlprogramm zum Herunterladen. Hören, Sehen, Verstehen. Dann folgt Material. Großflächen- und Themenplakate zum herunterladen, Broschüren und Flugblätter für Bürgerinnen und Bürger in sieben verschiedenen Sprachen.

Je größer die Organisation, desto authentischer, glaubhafter und vertrauenswürdiger wirkt eine bescheidene und besonnene Wortwahl. Die Seite weckt das Gefühl, man sei in den Händen einer Partei von realistischen, pragmatischen, adulten Autoritätspersonen. Gut gemacht CDU! Das Website-Design; überzeugend, solide, aufgeräumt und nichts sagend. Inhalt und Form stehen also in einem dialektisch angemessenen Verhältnis.

Social Media Präsenz

Die jungen Medien sind nicht so richtig was für die CDU. Auf der Facebookseite der größten Partei Deutschlands haben knapp 80.000 Menschen den Like-Button gedrückt. Im Vergleich: Die Piraten haben knapp 90.000. Aber ok. Das ist auch wirklich kein Wunder.

Auch die Posts auf der Facebookseite, ebenso wie auf Twitter sind so ansprechend und aufmerksamkeitsbindend wie ein Eimer Sand. Da stehen dann so Sachen wie: „Wahlkampf-Endspurt: Die Veranstaltungen mit Angela Merkel und David McAllister in dieser Woche.“ So ist die CDU halt: Immer gefasst, besonnen und ordnungsliebend.

Das Oberhaupt

Das ist ja eigentlich Angela Merkel. Aber hier geht es um ihren Stellvertreter auf Erden, verzeihung, im Europäischen Parlament. McAllister schüttelt auf Facebook Hände in steifen Posen, mit weißen Zähnen und geligen Haaren. Naturgemäß ist man ja immer dort unterwegs, wo man sich wohlfühlt, anerkannt wird und garantierten Applaus ernten kann. Hier waren die Menschen begeistert, da habe ich die getroffen und jenen beglückwünscht. Eigentlich sollte man doch mal zeigen, dass man sich auch im echten, harten Leben des kleinen Mannes aufopfern kann. Zum Beispiel beim Bagger fahren auf der Baustelle oder Kühe füttern auf dem Bauernhof.

Aber nein, überall dieselben Uniformen. Anzug, Krawatte und die haarlosen Hinterköpfe der Zuhörerschaft auf Wahlkampfveranstaltungen. Das Gleiche wie auf der Parteiseite. Weit und breit keine Kontroversen in den Posts, nichts unangenehmes. Wahlkampf für die heile Welt. Und deshalb gibt es auch über 20.700 Likes auf Facebook. CDU-Lebkuchenherzen und Spargelessen. Man feiert und freut sich über erzielte Erfolge.

Auf Twitter das gleiche. Ab und zu ein neckischer Zwitscher-Hinweis: „Liebe SPD. Da ist er, unser David McAllister. Seit Freitag deutschlandweit plakatiert.“ Allerdings getwittert vom „Team Deutschland,“ nicht von ihm selbst. Auch bei den sozialen Medien gibt es keine Diskussionen, keine Gedankenanregungen, keine Meinung. Alles sauber, alles gut, alles erfolgreich.

Die Kleinigkeiten

Eine kleine Geschichte. Die Junge Union hat sich mit einem Cover des Songs „Supergeil“ von der Band Der Tourist feat. Friedrich Liechtenstein ganz viel Mühe gegeben. Das Originallied war zu einem Klickhit auf Youtube geworden und die Junge Union dachte wohl: Das ist doch fesch. Also schnell umgeschrieben und „Super-Handel, Super-Wirtschaft, Super-Standard, Super-Erasmus, Super-Hymne, Super-Sterne“ eingefügt. Fertig war das Werbevideo für die coolen, jungen CDU-Wähler.

Das aber fanden die Urheber nicht so gut und ließen das Video entfernen. Mit folgender Begründung, wie der Spiegel herausfand: „Wir haben bisher wirklich JEDEM erlaubt, unseren Song zu covern, und da waren nicht nur Glanzstücke dabei. Aber Euch haben wir das nicht erlaubt. Warum? Weil ihr nicht gefragt habt. Und wir hätten das auch nie erlaubt. Warum? Weil ihr die Junge Union seid.“

Der Peinlichkeitsfaktor

Keine Schwäche, keine Stärke bei der CDU Internetpräsenz. Althergebrachtes Visuelles (Händeschüttelnde graue Damen und Herren) wird flankiert von vagen Worten präsentiert. Man kennt das. Aber wer aalglatte Menschen in Anzügen und einer Liebe für die Werte des christlichen Abendlandes peinlich findet, kann das natürlich ganz schrecklich finden.

Gesamteindruck

Die CDU zeigt sich als bester Ausweg aus scheinbar simplen, nicht nur politischen sondern auch persönlichen Problemen der EU-Bürger. Sie schafft es von allen Parteien am besten, die Komplexität der europäischen Probleme in der Innen- und Außenpolitik als harmlos darzustellen. Sie manövriert die Besucher ihrer Internetseiten in eine bequeme Haltung und nimmt ihnen, so die Botschaft, alle Sorgen. Die machen das schon, nicht wahr?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.