Absenkung der Pflichtstunden: Entschleunigtes Turbo-Abitur

Die Länder prüfen, ob sie die Wochenstunden bis zum Gymnasialabitur senken könnten. So würde die Mittelstufe entlastet.

Pssst! Bitte Ruhe! Bild: dpa

BERLIN taz | Die Kultusministerkonferenz (KMK) erwägt eine Absenkung der Pflichtstundenzahl bis zum Abitur. Das bestätigte der Generalsekretär der KMK, Udo Michallik, der taz. „Wir prüfen das“, meinte Michallik. Damit reagieren die Kultusminister auf einen Aufruf von ehemaligen Bildungspolitikern und renommierten Bildungsforschern.

Diese hatten zu Beginn der vergangenen Woche die KMK mit einem Schreiben aufgerufen, das achtjährige Abitur am Gymnasium zu verbessern statt abzuschaffen. Sie schlugen unter anderem vor, die KMK solle prüfen, die Pflichtstundenzahl bis zum Abitur von 265 auf 260 Stunden zu senken. So könne die Mittelstufe entlastet werden.

Außerdem forderten sie die Kultusminister auf, eine Empfehlung „zur pädagogischen Arbeit im Gymnasium“ auszusprechen. Unterschrieben hatten den Aufruf unter anderem der Pisa-Forscher Jürgen Baumert sowie Berlins ehemaliger Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD).

Vor zehn Jahren hatten viele Bundesländer begonnen, die neunjährige Gymnasialzeit um ein Jahr zu verkürzen. Die Kritik am G8 riss vor allem in den westdeutschen Flächenländern nicht ab. Jetzt wollen einige Länder zum G9 zurückkehren oder haben das bereits beschlossen. Niedersachsen will ab dem Schuljahr 2015/16 zum neunjährigen Gymnasium zurückkehren, in Bayern und Hamburg werden Volksbegehren vorbereitet.

Aufschrei des Philologenverbands

Auch die Arbeitgeber warnen vor einer Rückkehr zum G9. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) brachte Anfang Juni zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ein Thesenpapier in Umlauf, in dem sich beide für eine Erhaltung des G8 aussprechen. „Bildungspolitik darf nicht permanent neue Aufgaben an die Schulen stellen und die eine Reform durch die nächste überholen lassen, bevor die erste Reform überhaupt umgesetzt worden ist“, heißt es in dem Papier.

Die Leistungen beim G8-Abitur fielen nicht ab im Vergleich zum G9, wie Studien belegten. Außerdem gebe es eine hinreichende Anzahl an integrierten Schulformen wie Gesamt-, Stadtteil-, Ober- oder Sekundarschulen, die ein Abitur nach neun Jahren anböten. „Das Gymnasium darf bei den Eltern nicht als die einzig akzeptable Schulform für ihr Kind gelten.“ BDA-Präsident Ingo Kramer hatte auch den Aufruf der Wissenschaftler unterschrieben.

Der Vorschlag, die Pflichtstundenzahl zu senken, führte beim Deutschen Philologenverband, der Lobby der Gymnasiallehrer, zu einem Aufschrei. Der Bundesvorsitzende Heinz-Peter Meidinger sagte, dies sei der Weg zur Abschaffung des Gymnasiums. „Nach der Einführung des G8, die sowieso schon zur Stundenverkürzung geführt hat, jetzt erneut zu streichen, ist eine Kapitulation“, meinte Meidinger. Er kritisierte, dass derlei Ansätze die eigentlichen Probleme verfehlten.

Die Länder einigten sich 1996 auf eine Pflichtstundenzahl von 265 Wochenstunden bis zum Abitur. Das entspricht etwa 32,5 Unterrichtsstunden pro Woche. Um die Latte zu senken, müssten alle Länder zustimmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.