Kommentar Al-Dschasira-Urteil in Kairo: Wir sind alle Verbrecher

Mit dem Urteil gegen die Al-Dschasira-Journalisten verabschiedet sich Ägypten endgültig von jeglicher Rechtstaatlichkeit.

Der Gerichtssaal in Kairo am Montag während der Urteilsverkündung. Bild: ap

Sieben Jahre Gefängnis für Journalisten, die nur ihre Arbeit verrichteten. Mit diesem Urteil gegen den australischen Korrespondenten und den kanadisch-ägyptischen Bürochef des Fernsehsenders al-Dschasira International hat die ägyptische Justiz den Journalismus selbst kriminalisiert. Ein Produzent und mehrere in Abwesenheit verurteilte ausländische Journalisten bekamen zehn Jahre.

Damit hat sich Ägypten von jeglicher Rechtstaatlichkeit und der Pressefreiheit verabschiedet. Die entsprechenden Garantien in seiner Verfassung sind angesichts dieses politischen Urteilspruchs nichts wert. Die Botschaft ist klar: Wer als Journalist seinen Job ernst nimmt und es wagt, auch Kontakt zu den Muslimbrüdern aufzunehmen, dem drohen langjährige Gefängnisstrafen.

Die Beweisaufnahme war eine einzige Komödie. Die Zeugen haben sich zum Teil selbst zwischen schriftlicher und mündlicher Aussage widersprochen. Angeblich unabhängige Gutachter unterstanden der Polizei. Das angeblich belastende Videomaterial zeigte Berichte von einer Tierklinik in Kairo, über christliches Leben in Ägypten und Reportagen aus Kenia. Damit sollte untermauert werden, dass die Kollegen Berichte gefälscht und manipuliert haben, um das Image Ägyptens zu schädigen.

Eine Polizist, der Demonstranten mit Schrotmunition die Augen ausgeschossen hat, bekommt drei Jahre Gefängnis, ein Journalist, der darüber berichtet, muss mit sieben Jahren rechnen. Das ist heute Ägyptens Justitia.

Die Bevölkerung glaubt indes schon lange nicht mehr an Gerechtigkeit. Jetzt wurde auch der Welt der Beweis geliefert, dass ägyptische Gerichtssäle nur Theaterbühnen sind. Es ist ein Urteil, das alle in Ägypten arbeitenden Journalisten sprachlos macht. Nach diesem Rechtsspruch sind wir alle Verbrecher.

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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