Kolumne Kann man das essen?: Wie flüssiges Plastik

In Berlin-Wilmersdorf findet jedes Wochenende ein asiatischer Essensmarkt statt, auf dem thailändische Köche Selbstgekochtes verkaufen.

Es ist nicht alles Möhre, was orange ist. Bild: dpa

Zur Thaiwiese in Berlin-Wilmersdorf gibt es eine offizielle und eine inoffizielle Version: Offiziell veranstalten hier jedes Wochenende zahlreiche thailändische Familien ein großes Picknick mit ihren Angehörigen. Es riecht nach Thai-Suppe, man sieht bunte Sonnenschirme und unzählige Plastikstühle. Für zufällig vorbeischlendernde Besucher fällt da netterweise auch etwas ab. Inoffiziell ist das gesellige Beisammensein ein straff organisierter, asiatischer Essensmarkt – thailändische Köche verkaufen selbstgekochte Spezialitäten. Das Ordnungsamt drückt meist ein Auge zu.

Ich probiere mich zunächst an einem plattgebratenen Taler, der nach Fisch riecht. Kein Wunder, denn er enthält eine zusammengeschmolzene Mischung aus Shrimps und Thaipulver. Um den Geschmack loszuwerden, bestelle ich mir dann einen – wie ich denke – veganen Papaya-Salat. Beim genauen Hinsehen entdecke ich winzige fermentierte Shrimps. Merke: Es ist nicht alles Möhre, was orange ist.

Um die Schärfe zu lindern, greife ich nach einem Plastikbecher mit dickflüssigem, weißen Inhalt. In dem quietschsüßen Kokosnuss-Getränk schwimmen bunte Elementarteilchen: grüne Gelee-Würmer, rote beerenartige Klümpchen, durchsichtige geriffelte Rechtecke, außerdem Quadrate, Ovale und gelbe Bambusstücke. „Was ist das Grüne?“, frage ich die Verkäuferin immer wieder, doch sie ignoriert die Frage einfach. Schließlich sagt sie: „Machen wir selber. Wie Gummibärchen, nur weich.“ Stimmt.

Und das andere Zeug? Die ovalen Stücke sind bissfest, wie Gelee-Ostereier. Die geriffelten rechteckigen Bänder sehen aus wie die zerrissenen Überreste einer 70er-Jahre-Badekappe, und auch die roten Klümpchen sind eher zäh. Nichts schmeckt fruchtig, frisch oder interessant. Auch die gelben Bambusstücke kommen geschmacklich nicht gegen die unbarmherzige Süße der Kokosnuss an.

Es ist ein anstrengendes Getränk, man versucht, die vielen seltsamen Elemente zu einem geschmacklichen Ganzen zusammenzufügen. Oma, die auch mitgekommen ist, bringt es auf den Punkt: „Wie flüssiges Plastik.“

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Jahrgang 1973. Hat nach einer Verlagsbuchhändlerausbildung und Stationen in Hamburg, München und New York Literaturwissenschaft, Publizistik und Kulturwissenschaften in Berlin studiert und bei der Netzeitung gearbeitet. Seit 2008 ist sie bei taz.de und hat 2013 die Leitung des Ressorts zusammen mit Frauke Böger übernommen. Sie schreibt über Medien-, Gesellschaft- und Kulturthemen. Im Mai 2012 erhielt sie den Emma-Journalistinnenpreis für ihre Reportage über die Berliner Macchiato-Mütter.

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