Der sonntaz-Streit: „Wir dulden keine Hassparolen“

Viele Juden fühlen sich in Deutschland nicht mehr sicher. Die Berliner Polizei gibt Entwarnung. Es gebe nicht mehr Gewalttaten als letztes Jahr.

Pro-israelische Solidaritätskundgebung in Berlin. Bild: dpa

Es ist nicht zu leugnen: Der Gaza-Konflikt hat längst Deutschland erreicht. Seit Wochen sind auf propalästinensischen Demonstrationen Hetzparolen zu hören, Synagogen wurden angegriffen und in Deutschland lebende Juden berichten von Übergriffen. Als Reaktion auf die Unruhen wurden bestimmte Ausrufe verboten. Die Polizei zeigt zum Schutz jüdischer Mitbürger besondere Präsenz.

Trotzdem fühlen sich viele Juden in Deutschland nicht mehr sicher. Beim Zentralrat der Juden gehen besorgte Anrufe ein. Einige hadern bereits mit der Entscheidung, das Land zu verlassen. Haben sie Grund dazu? Oder übersteigt die subjektive Wahrnehmung das tatsächliche Geschehen?

„Auch wenn der Krieg in Gaza den stets auf der Lauer liegenden Denunziationsfundamentalisten neues Futter für ihre Shit-Storms zu liefern scheint, gibt es keinen Grund sich in Deutschland unsicher zu fühlen“, sagt die Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin, Cilly Kugelmann. „Kein Iron Dome muss Kassam-Raketen über Berlin abwehren, keine Panzergranaten beschießen Hamburger Einrichtungen.“

In regelmäßigen Abständen bestätigten empirische Studien, dass jeder fünfte in diesem Land latent antisemitisch sei. „Was weder zu bestreiten noch beängstigend ist“, sagt Kugelmann. Antisemitismus wie Rassismus seien eine öde und lästige Realität, die es überall auf der Welt politisch zu bekämpfen und privat zu ignorieren gelte.

Warum es toll ist, ein Objekt zu sein - und was Heterosexuelle sonst noch von Schwulen und Lesben lernen können, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 9./10. August 2014. Außerdem: Eine Ausbilderin bei den UN-Blauhelmen erzählt von der inneren Zerrissenheit der Militärs. Und: So klappts auch mit dem Schmiergeld. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

„In Israel fühle ich mich sicherer“

Trotzdem will die jüdische Studentin Michal nicht mehr lange in Deutschland bleiben: „Es klingt ironisch, aber in Israel fühle ich mich sicherer.“ Die gebürtige Berlinerin hat den deutschen Antisemitismus bereits mehrfach selbst erfahren. „Erst vor zwei Wochen wurde ich auf der Straße angespuckt, weil ich eine Kette mit einem Davidstern-Anhänger getragen habe.“

Die Polizei gibt Entwarnung: „Wir stehen in intensivem Austausch mit der Sicherheitsabteilung der jüdischen Gemeinde“, sagt Stefan Redlich, Pressesprecher der Berliner Polizei. „Alle jüdischen Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Friedhöfe, Synagogen, Gemeindehäuser und jede andere jüdische Einrichtung wird von der Polizei beschützt.“

Jährlich werden zwischen 130 und 280 antisemitische Straftaten bei der Berliner Polizei registriert – darunter drei bis neun Gewalttaten. Dieses Jahr sei es laut Redlich bislang nicht zu überdurchschnittlich vielen Anzeigen von Gewalttaten gekommen. „Es werden aber vermehrt Beleidigungen und Volksverhetzung gemeldet“, räumt er ein.

Dagegen will die Berliner Integrationssenatorin Dilek Kolat strikt vorgehen: „Wir dulden keine Nazis und wir dulden keine Hassparolen von fundamentalistischen Predigern in Berliner Moscheen. Wir werden hier keine ,no-go-areas' zulassen. Berlin lässt den Nazis und anderen Antisemiten keinen Zentimeter Raum in dieser Stadt.“ Das jüdische Leben sei ein wichtiger Teil der Gesellschaft. „Berlin war und ist ein Ort des toleranten Zusammenlebens.“

Die Streitfrage in dieser Woche beantworten außerdem die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden Charlotte Knobloch, die Historikerin und Autorin des Buches „Das zionistische Israel“ Tamar Amar-Dahl, der israelische Philosoph Omri Boehm, der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman sowie taz-Leser Mark Lückhof - in der taz am wochenende vom 9./10. August 2014.

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