Zwei neue Alben von Prince: Der kleine Trotzprinz

Mal queeres Hybrid, mal Antirockist: Prince ist wieder da und legt mit „Art Official Age“ und „Plectrumelectrum“ gleich zwei neue Alben vor.

Soll nun endlich alle Rechte an seinen alten Alben besitzen: Prince. Bild: ap/NPG Records

Es war einmal im fernen Popjahr 1991: Ein Künstler namens Prince veröffentlicht über den Plattenmulti Warner Brothers ein neues Album mit dem Titel „Diamonds and Pearls“. Im Radio und beim Clipsender MTV im Fernsehen laufen die Hitsingles von Prince auf Heavy Rotation. Exemplare des Albums gehen weg wie geschnitten Brot. Diamanten und Perlen, so prophetisch der Albumtitel auch ist, so glücklos geht es nur ein Jahr später mit dem nächsten Album und seinem ebenso prophetischen Titel „Love Symbol“ weiter.

Gemessen an Prince’ Bekanntheitsgrad wird es ein Flop. Und so kommt es zum Eklat: Der Künstler wirft den Verantwortlichen bei Warner falsche Vermarktungsstrategien vor und realisiert erstaunlicherweise erst dann, dass die Plattenfirma die Rechte an seinem Werk besitzt.

Dumm nur, dass Prince erst kurze Zeit zuvor seinen Vertrag mit ebenjener Plattenfirma, die er fortan öffentlich als moderne Sklaventreiber bezeichnen würde, verlängert hatte. Und zwar bis zum 31. Dezember 1999. Über sechs weitere Alben. Was vonseiten der Plattenfirma wiederum ein reichlich merkwürdiger Deal gewesen ist, da sie Prince pünktlich zum Flop – als Replik auf seine Vorwürfe – beschuldigt hatte, er veröffentliche schlicht und einfach zu viel Musik.

Was sich in den folgenden zwei Jahrzehnten in einer märchenhaften Groteske um die Unabhängigkeit des kleinen Mannes aus Minneapolis ereignen wird, sucht im Showgeschäft bis heute seinesgleichen. Ebenjener Prince beschließt nämlich, sich nicht mehr Prince zu nennen. Nein, er heißt nun aus Protest so, wie er früher einmal gerufen wurde: „The Artist Formerly Known As Prince (Tafkap)“.

Prince „Art Official Age“.

Prince & 3Rd Eye Girl „Plectrumelectrum“ (beide NRG/Warner).

Beleidigte funky Leberwurst

Der Künstler, der einmal Prince hieß, malt sich für Pressefotos das Wort „Slave“ auf die zarten Wangen und mimt die beleidigte funky Leberwurst. Mitte der neunziger Jahre verkündet er gar, er spreche von nun an nur noch als „Love Symbol“ zu den Fans. Sein Zeichen der Liebe (und auch der Rache) ist ein queeres Hybrid aus dem Männlichkeits- und Weiblichkeitssymbol.

Die Alben zur Vertragserfüllung bei Warner floppen fristgerecht eines nach dem anderen. Er gibt den Fans das Gefühl, dass es sich dabei um Bückware und lustlos abgenudeltes Ausschussmaterial handelt. Warner steigt aus dem Deal aus. Die Rechtsabteilung des Hauses kann dem kleinen Trotzprinzen jedoch keinen Vertragsbruch nachweisen.

In den nächsten Jahren benimmt sich der Musiker mit dem Sternzeichen der Liebe widersprüchlich: Mal vertickt er Alben an andere Majorlabel, dann verkündet er feierlich, seine Musik nur noch über das Internet vertreiben zu lassen. Er legt ein Werk dem britischen Boulevardblatt Sunday Times bei, oder er verkauft Musik an ein kleines Plattenlabel in der Schweiz. Immerzu im Glauben die Zeichen der Zeit erkannt zu haben.

Musikalisch gelten die extrem größenwahnsinnigen Fünf- beziehungsweise Dreifachalben „Crystal Ball“ und „Emancipation“ in dieser Phase zwischen der Entdeckung der Schwarmintelligenz und dem Drücken alter Konzernklinken als Meisterwerke. Dass Prince nebenher die halbe Welt verklagt, meist wegen Urheberrechtsverletzungen im Internet, versteht sich von selbst.

Eines Tages ist das Internet am Ende

Mal lässt er alle Fanvideos im Internet sperren, dann aber winkt schon wieder er diese audiovisuellen Werken seiner Fans in den Netzwerken durch. Eines Tages, so prophezeit Prince, sei das Internet am Ende … Heute, wir schreiben den 2. Oktober 2014, und der Künstler, der einst nichts mehr von seinem Namen wissen wollte und sich über Nacht in ein postmodernes Zeichen verwandelt hat, veröffentlicht gerade zwei neue Alben auf einen Streich. Und dieser Mann hieße nicht schon längst wieder Prince, wenn diese beiden Werke wo erscheinen würden? Genau: bei seiner einst so gehassten Lieblingsfirma Warner.

Sie gehört seit Mai 2011 zum Konzern des russischstämmigen US-Milliardärs Leonard Blavatnik, der mit seiner Beteiligungsgesellschaft Access Industries in der Hauptsache nach Bodenschätzen bohren lässt oder solche Firmen aufkauft, die sich damit auskennen. Ob Herr Blavatnik noch ein paar hübsche Geschenke oben draufgelegt hat, weil er neulich auf einer Party zu „Kiss“ abgehottet war und ihn ein Partygast fragte: „Ist der nicht auch unter Vertrag, Leonard?“, kann nur gemutmaßt werden. Kolportiert wird, dass Prince sehr glücklich mit der neuen Vertragssituation sein soll. Und dass er nun endlich alle Rechte an seinen alten Alben besitzt.

Eines der beiden neuen Werke heißt „Plectrumelectrum“, und das hat der Meister mit seiner im Internet gecasteten Muckerinnen-Band 3rd Eye Girl aufgenommen. Schon im letzten Jahr kürte der US-Musikmagazin Rolling Stone das Trio direkt hinter Bruce Springsteens Begleitband zur besten Live-Combo auf diesem Planeten. Das Plektron, jenes oft verloren gehende kleine Plastikteil, mit dem man die Saiten der E-Gitarre zupft, ist als Signifikant im Titel nur konsequent: Hier spielen Könnerinnen mit dem Prince der Popmusik.

Zusammen sehen die drei Musikerinnen aus wie Lara Croft in „Sex & The City“: bis unter die Zähne bewaffnet mit Sexappeal und Vintage-Rock-Equipment. Prince hatte ja schon immer ein Faible für hochbegabte Begleitmusikerinnen. Aber mit 3rd Eye Girl zelebriert er nun einen musikalischen Gangbang, der alle Fans über beide Ohren erröten lassen dürfte. Das ist jetzt alles überhaupt nicht machomäßig gemeint. Prince war ja ohnehin schon immer beides in Pop-Personalunion: Rockist und Antirockist. Gleichermaßen von James Brown und Joni Mitchell beeinflusst.

Gniedeliger Funkrock

„Plectrumelektrum“ jedenfalls ist ein problematisches Album. Problematisch, weil hier der Funkrock selbstverliebt und gniedelig geraten ist. Dafür ist „Art Offical Age“, das andere Werk, auf dem 3rd Eye Girl ebenfalls mitwirken – dem Zeichen der Liebe sei Dank –, guter bis sehr guter Prince geworden. Die Musik tönt wie Lady Gaga auf dem Rummelplatz und nimmt bollerig mit breit gedrückten Synthesizern die Borderline-Fäden der Zeit auf. Aber bei Prince klingt das alles nur wie kindisches Spiel!

Auf die falsche Fährte gelockt, geraten wir durch einen geschickten Break wie durch ein Wurmloch hindurch in seinen unerschöpflichen, feingeistigen Klangkosmos. Bereits im zweiten Song, „Clouds“, kann man aufatmen. Prince rät den Hörern zärtlich dazu, die Liebste auf den Nacken zu küssen, jene intime Körperstelle, die von Instagram bis Youporn wohl am wenigsten dokumentiert sein dürfte.

Der Künstler, der sich jetzt wieder Prince nennt, weiß offenbar so viel über die Utopien und Heterotopien des Pop wie niemand sonst. Dass sein Körper dabei immerzu in endlos übereinandergeschichteten Sound-Spuren als der Nabel der Welt erklingt, kann einem schon mal auf die Nerven gehen, aber so jemanden nannte man früher schlicht: einen Star. Und wenn er nicht schon längst gestorben ist, wird er uns als Rumpelstilzchen des Pop noch eine ganze Weile unterhalten.

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