Bertelsmann übernimmt Gruner + Jahr: Neue Strategie: Geldscheffeln

Das alte Verlagshaus G+J kriselt vor sich hin. Der Gütersloher Medienkonzern wird es nun auf Effizienz trimmen – und dann verkaufen?

Verlagshaus von Gruner + Jahr in Hamburg. Bild: dpa

Europas größter Medienkonzern Bertelsmann hat im Verlagshaus Gruner + Jahr (G+J) künftig allein das Sagen. Zum November übernimmt der Konzern die verbleibenden 25,1 Prozent von der Verlegerfamilie Jahr. Die übrigen Anteile, die Mehrheit von 74,9 Prozent, besitzt Bertelsmann schon seit Mitte der siebziger Jahre.

Der Bertelsmann-Aufsichtsrat besiegelte den Deal am Montag. Der Preis wurde nicht genannt. Zu Gruner + Jahr gehören große Zeitschriftentitel wie Stern, Geo und Brigitte sowie rund 25 Prozent am Spiegel-Verlag. Bertelsmann gehört unter anderem die RTL Group.

In Gruner + Jahr wird also künftig weder Gruner noch Jahr stecken. Das alt- und mal mehr, mal minder ehrwürdige Verlegertum im Hause Gruner + Jahr ist damit Geschichte.

Schon vor Jahrzehnten hatte Bertelsmann die Anteile von Mitgründer Richard Gruner übernommen, nun werden die letzten Wurzeln zur Familie Jahr – repräsentiert durch die Jahr Holding – gekappt. Keine Verlegerfamilie wird mehr hineinreden. Bislang hatten die Jahrs noch eine Sperrminorität.

Die Mitarbeiter dürfen sich darauf einstellen, dass der Alleineigentümer aus Gütersloh ihr Haus konsequent auf Effizienz trimmen wird. Sogleich schrie der Deutsche Journalistenverband auf und verlangte, die Tradition der Verlegerfamilie und die sozialen Standards „ohne Abstriche zu erhalten“.

Bekenntnis für den Moment

Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe versicherte, der „strategische Meilenstein“ sei ein „Bekenntnis zum Journalismus“. Erfahrungsgemäß haben Bekenntnisse in der Medienindustrie jedoch eine überschaubare Lebenserwartung, zumal auch bei fast allen gedruckten G+J-Titeln die Auflagenzahlen und die Anzeigenerlöse sinken.

G+J versucht deshalb – wie alle Verlagshäuser – seine Geschäfte vom analogen ins digitale Zeitalter hinüberzuretten. Onlineseiten fürs schöne Wohnen wie Roomido, das Elternportal Urbia oder die Kochcommunity Chefkoch.de gehören zu dieser neuen Generation an Angeboten fernab der traditionellen Marken. Sie sind vor allem so konzipiert, dass sie den Anforderungen des Werbemarktes gerecht werden. Doch den Rückgang des Printgeschäfts kann das bislang nicht kompensieren.

Schon vor Wochen kündigte das G+J-Management deshalb massive Einsparungen an. Julia Jäkel, die seit 2013 Vorstandschefin bei Gruner ist, holte erst den Rotstift raus und dann das Fallbeil: Im August hatte sie angekündigt, 400 Stellen in den nächsten drei Jahren zu streichen. Selbst beim G+J-Flaggschiff Stern fallen Arbeitsplätze weg. Chefredakteur Dominik Wichmann wurde geschasst, die beliebte Vize-Chefredakteurin und stern.de-Chefin Anita Zielina ergriff die Flucht. Seitdem ist die Verunsicherung innerhalb der Belegschaft groß.

Auch wenn es in jüngsten Äußerungen ganz anders klingt und Bertelsmann den Anschein erweckt, langfristig mit G+J zu planen – ein Verkauf in branchenfremde Hände ist kein Tabu. Vor ziemlich genau einem Jahr etwa wurde Amazon-Gründer Jeff Bezos zum Eigner der US-Traditionszeitung Washington Post. Auch dort konnte sich die Beschäftigten kaum vorstellen, dass ein Internet-Unternehmer um die Ecke kommen und der Graham-Familie das Blatt nach acht Jahrzehnten aus den Händen nehmen würde.

Wird bald verkauft?

Die Komplettübernahme aller Anteile könnte nun auch in Hamburg der entscheidende Schritt zum Verkauf des gesamten Verlags in fremde Hände sein – die jüngsten Einsparungen könnten dazu dienen, ein möglichst schlankes Unternehmen gewinnbringend loszuwerden.

Auf Traditionen wird nicht mehr allzu viel gegeben im einstigen Hamburger Traditionshaus – das galt schon vor dem Bertelsmann-Deal. Der schicke Henri-Nannen-Preis, benannt nach dem Stern-Gründer, wird im kommenden Jahr nicht mehr verliehen. Und auch an der Journalistenausbildung wird gespart: 16 statt 20 Reporter-Azubis der Nannenschule kriegen nur noch Beihilfen auf Hartz-IV-Niveau.

Schnell scherzte die Branche mit einer Portion Sarkasmus über „Gruner + Spar“. Immerhin schaffte es das Unternehmen 2013 nach einem Verlustjahr wieder 81 Millionen Euro Gewinn zu erwirtschaften, büßte jedoch an Umsatz ein. Da schrillen bei Bertelsmann die Alarmglocken – denn auch die RTL Group erwartet in diesem Jahr geringere Umsätze. Weitere schrumpfende Medienmarken kann Europas größter Medienkonzern da beleibe nicht gebrauchen. Schon allein deshalb dürfte Gruner + Jahr schnell das Kohlescheffeln beigebracht werden.

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