Energiewende: Hamburg kauft Gasnetz von Eon

Das Hamburger Gasnetz wird rekommunalisiert. Aufspaltung des Energiekonzerns Eon sorgt im Norden für neue Debatten über Atomausstieg und Endlagerung.

Das Gasnetz von Eon in der Stadt soll nach dem Willen der Hamburger lieber kommunal betrieben werden. Bild: dpa

HAMBURG taz | Hamburg kauft auch die Versorgungsnetze für Erdgas vom Eon-Konzern wieder zurück. Damit setze die Stadt einen weiteren Teil des Volksentscheids zur Rekommunalisierung der Energienetze vom September 2013 um, sagt SPD-Finanzsenator Peter Tschentscher. Das Stromnetz hat die Stadt bereits vom Versorger Vattenfall zurückgekauft, das Fernwärmenetz soll 2019 rekommunalisiert werden (siehe Kasten).

Zum 1. Januar 2018 sollen die Gasleitungen vollständig von einer städtischen Betreibergesellschaft übernommen werden, vereinbarten die Stadt und der Noch-Betreiber Hansewerk im schleswig-holsteinischen Quickborn. Das ist seit dem 1. Oktober der neue Name der Eon-Tochter Eon Hanse, des größten Gasversorgers in Hamburg und Schleswig-Holstein. Sie entstand Mitte der 1990er-Jahre durch den Verkauf der Hamburger städtischen Gaswerke Hein Gas und der kommunalen schleswig-holsteinischen Schleswag an den Düsseldorfer Energiekonzern Eon. Jetzt kommt sie wieder zurück in öffentliche Hand.

2012 hatte Hamburg für 25,1 Prozent der Anteile am Hansewerk-Netz bereits 80,4 Millionen Euro gezahlt, für die restlichen 74,9 Prozent werden nun 275 Millionen Euro fällig. Die rund 500 Beschäftigten werden von der städtischen Gesellschaft Hamburg Netz übernommen. Nach demselben Muster hatte die Stadt bereits Anfang des Jahres mit Vattenfall die Übernahme des Stromnetzes und dessen rund 1.500 Beschäftigten zum 1. Januar 2015 vereinbart.

Die Verträge mit Hansewerk müssen noch förmlich vom Hamburger Senat und von den Hansewerk-Gremien beschlossen werden. Dies soll noch vor Weihnachten geschehen. Anfang nächsten Jahres werde die Bürgerschaft offiziell informiert. Deren Zustimmung ist aber nicht notwendig, weil die Rekommunalisierungsverträge einen verbindlichen Volksentscheid umsetzen.

Beim Volksentscheid in Hamburg am 22. September 2013 sprach sich eine Mehrheit von 50,9 Prozent dafür aus, die drei Energienetze zu rekommunalisieren.

Das Stromnetz: Es ist rund 27.000 Kilometer lang. Angeschlossen sind 1,12 Millionen Haushalte. Betreiber war Vattenfall.

Das Fernwärmenetz: Es ist etwa 800 Kilometer lang und versorgt rund 450.000 Wohnungen. Betreiber ist Vattenfall.

Das Gasnetz: Es ist rund 7.300 Kilometer lang und versorgt etwa 150.000 Haushalte. Betreiber ist noch Hansewerk (Eon Hanse).

Der Preis: Die Stadt hatte sich 2012 für 543,5 Millionen Euro zu jeweils 25,1 Prozent an den Netzgesellschaften beteiligt. Der Wert der restlichen drei Viertel dürfte bei 1,6 Milliarden Euro liegen.

Die Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“ hatte mit diesem Volksentscheid die vollständige Rekommunalisierung aller drei Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme durchgesetzt. Der SPD-Senat unter Bürgermeister Olaf Scholz hatte dagegen einen städtischen Anteil von jeweils 25,1 Prozent an den Netzgesellschaften für ausreichend gehalten.

Nach ihrer Niederlage indes machten Scholz und der Senat sich ohne Murren daran, Volkes Willen umzusetzen: Zwei Drittel sind ein gutes Jahr später bereits vertraglich unter Dach und Fach. Die Verzögerung bei der Fernwärme ergibt sich daraus, dass der laufende Konzessionsvertrag von Vattenfall noch bis 2019 gültig ist.

Die Vereinbarung zum Gasnetz wurde vom Senat am selben Tag veröffentlicht, an dem der Mutterkonzern Eon Mona einen radikalen Kurswechsel und die Aufspaltung in zwei getrennte Unternehmen ankündigte. Der größte deutsche Energiekonzern Eon will sich künftig auf erneuerbare Energien und Energienetze konzentrieren; das bisherige Kerngeschäft mit den Energieträgern Atom, Kohle und Gas soll ausgegliedert und verkauft werden, kündigte Eon-Chef Johannes Teyssen in Düsseldorf an. Die Folgen für die Energiezukunft in Norddeutschland sind noch offen.

Eon betreibt im Norden die Atomkraftwerke Brokdorf und Grohnde, die Ende 2021 mit als letzte AKWs in Deutschland stillgelegt werden sollen. Der Eon-Meiler Unterweser ist bereits seit 2011 außer Betrieb, das Uralt-AKW Stade wird seit 2003 zurückgebaut. Zudem ist Eon als Partner von Vattenfall an den stillgelegten Reaktoren Krümmel und Brunsbüttel und somit an deren milliardenteurer Verschrottung beteiligt.

Brokdorfs Zukunft sei gegenwärtig „unklar“, erklärte Schleswig-Holsteins grüner Energie und Umweltminister Robert Habeck am Montag. Seinetwegen dürfe die Restlaufzeit bis 2012 „auch gern unterschritten werden“. Die Verantwortung für den Rückbau „nach den strengsten Sicherheitsanforderungen“ liege aber „immer beim Unternehmer“, sagte Habeck. Durch den Aufspaltungsplan könnte eben diese Anforderung unterlaufen werden, fürchten Kritiker.

Niedersachsens grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms befürchtet, „dass die Überführung der Rückstellungen für den Rückbau und die Entsorgung des Atommülls in eine neue Gesellschaft zu einem bösen Erwachen für den Steuerzahler führt“. Es drohe die Gefahr, dass der Konzern eine „Bad Bank für seine sieben Atomkraftwerke“ schaffe, die dann von den Steuerzahlern gerettet werden müsste. Eon hat nach eigenen Angaben 14,5 Milliarden Euro für den Rückbau und die Endlagerung auf der hohen Kante. Kritiker befürchten, dass könnte nicht reichen – den Rest müsste der Staat zahlen.

Die Rückstellung müssten deshalb gesichert werden, fordert Habeck: „Konzernstrukturen sind vergänglich, die strahlende Altlast des Atomzeitalters dagegen nicht.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.