Die Streitfrage: Paketannahme verweigern?

Amazon, Zalando, Ebay: Gerade vor Weihnachten klingelt der Paketbote fast täglich. Das nervt. Wer annimmt, hilft Konzernen. Oder?

Haben derzeit genug zu tun: Paketboten der DHL. Bild: dpa

Es klingelt an der Tür. „Würden Sie ein Paket für ihren Nachbarn annehmen?“ fragt der Zusteller. Jetzt ist der Kerl schon wieder nicht da!, denkt man, entgegnet aber: „Sicher doch“. Eine Unterschrift, ein Kreuz hier, ein Piep da und das Paket kommt in den Wohnungsflur – zu den anderen für Frau Scholz, Herrn Huber und Frau Schmidt.

Ein Paket bringt dem Adressaten Freude. In den vergangenen zwanzig Jahren steigerte sich der Glücksindex in Deutschland dadurch, die Zahl der verschickten Pakete stieg um 77 Prozent. Mehr als 2,6 Milliarden Sendungen wurden 2013 von Kurier-, Express- und Paketdiensten transportiert. 2006 waren es noch 2,1 Milliarden gewesen. Gerade vor Weihnachten wächst die Zahl auf eine halbe Millionen Sendungen - pro Tag.

Die Branche kann den Marktforschern von KE-Consult zufolge bis 2018 mit einem Zuwachs von fast 4 Prozent im Jahr rechnen. Größter Gewinner ist die Deutsche Post DHL. In 2013 verbuchte sie mehr als 50 Prozent der insgesamt rund 16 Milliarden Euro Umsatz der Branche.

Ausweitung der Komfortzone

Eine Ursache für den gesteigerten Paketversand ist die Ausweitung unserer Komfortzone. Es ist so bequem geworden, die Internetseite eines Händlers anzusurfen und per Mausklick das Geschenk für den Liebsten, die Oma oder den Nachbarn zu bestellen. Das Geschäft der Onlineversandhändler boomt. Amazon verkaufte zum diesjährigen Cyber Monday, dem 1. Dezember, 3,9 Millionen Produkte – das sind 46 pro Sekunde.

Händler, Paketdienstleistungsunternehmen und Empfänger - es scheint also, als ob alle Beteiligten, bis auf den Nachbarn, der das Paket einlagert, zufrieden sind. Ein seliges Nehmen und Geben – wie passend zur Weihnachtszeit. Doch wen unterstützt man mit der Annahme eines Pakets da eigentlich?

Amazon als weltweit führender Onlineversandhandel verweigert seinen Mitarbeitern seit Langem per Tarifvertrag gesicherte Einkommens- und Arbeitsbedingungen. Statt Sicherheit durch einen Tarifvertrag setzt der Konzern auf freiwillige Zahlungen und Boni, die kurzerhand wieder storniert werden können. An manchen der neun Standorte in Deutschland arbeiten 80 Prozent der Mitarbeiter auf unbefristeten Verträgen.

Monopoly

Im Laufe dieses Jahres hatte Amazon Verlagen in Europa und den USA immer wieder seine Marktmacht demonstriert, indem der Konzern versuchte, sie mit Lieferverzögerungen zu größeren Rabatten zu zwingen. Das US-Magazin The New Republic prangerte die Methoden als die eines Monopolisten an und forderte Konsequenzen.

Sollte man sich nicht solidarisch mit den derzeit streikenden Amazon-Mitarbeitern zeigen und, wie es die Büchnerpreisträgerin Sibylle Lewitscharoff in Ihrem Artikel „Nieder mit Amazon!“ gefordert hat, Amazon ebenfalls den Kampf ansagen? Lewitscharoff „ärgert“ es nicht nur, wenn Sie „zu Hause in Berlin ständig wegen doofer Pakete herausgeklingelt (wird), die von Nachbarn bei Amazon bestellt wurden.“ Sie verweist auch auf ein anderes Problem, das durch den „Monopolisten“ Amazon entsteht – die Krise der unzähligen Buchhändler, die sich „offline“ gegen die großen Onlinehändler durchsetzen müssen. Die Liebe zum Buch, der zwischenmenschliche Kontakt zum Händler, der seinen Kunden im Laufe der Jahre kennengelernt hat und beraten kann – all das wird verschwinden, wenn wir weiter die Pakete unseres Nachbarn annehmen.

Und was sagen die Nachbarn?

Aber schaden wir mit so einer Protesthaltung nicht der guten Nachbarschaftsbeziehung?

Und: Gleich wie prekär die Beschäftigung für Amazon-Mitarbeiter oder die Paketzusteller auch ist – sie sind oft auf den Job angewiesen. Wäre unsere Protesthaltung nicht sinnvoller, wenn wir diese Berufsgruppen nicht blockieren, sondern sie in ihrem Kampf für gerechte Arbeit unterstützen?

Wir haben aber mehr Verantwortung als wir denken, sind wir doch das letzte Glied in der Kette der Dienstleister. Wir befördern die Fracht das letzte Stück, wir lagern das Paket, versuchen über Tage hinweg den Empfänger zu erreichen und müssen im worst case den Rückversand unternehmen. Wir könnten diese Maschinerie unterbrechen.

Heißt die Konsequenz also doch einfach: „Paketannahme verweigern?“

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