Verbandelte Banden: Nazi-Rocker amtlich

In Niedersachsen sieht die Landesregierung Verbindungen zwischen der Rocker- und der Neonazi-Szene und bestätigt damit Recherchen der taz.

Die "Legion Bremen" trifft sich vor ihrem Clubhaus bei Bremen. Bild: Belina

HANNOVER taz | Ja, es gibt Verbindungen von kriminellen Rocker-Gangs und Neonazis in Niedersachsen und dem Bremer Umland. Und für die Ermittlungsbehörden liegt hier prinzipiell auch ein „besonderer Fokus“. Das erklärte die niedersächsische Landesregierung vergangene Woche auf Anfrage der SPD – und bestätigte damit Recherchen der taz.nord.

Während Experten seit Jahren davor warnen, kriminelle Rocker und Rechte könnten sich in Sachen Gewaltpotenzial und neonazistischer Einstellung gegenseitig „hochschaukeln“ und unterstützen, bekommt diese „Mischszene“ spätestens seit den HoGeSa-Demos eine größere Aufmerksamkeit: Bei denen waren Rocker, Hooligans und Neonazis gemeinsam gewalttätig geworden. Die Landesregierung allerdings hat „über vereinzelte persönliche Bekanntschaften hinaus keine Erkenntnisse über strukturelle Verbindungen“.

Nach Berichten der taz über die Rocker-Gang „Legion Bremen“, anhand derer sich ein Zusammenschluss aus Hooligans, Türstehern, Neonazis und Hells-Angels-nahen Motorrad-Rockern exemplarisch zeigen lässt, hatte unter anderem der SPD-Landtagsabgeordnete Marco Brunotte nach den Erkenntnissen der Landesregierung gefragt: Einzelne Mitglieder der „Legion Bremen“ seien als „rechtsmotivierte Straftäter“ bekannt, heißt es in der Antwort.

Zu 15 der derzeit 35 Leute der Legion lägen „kriminalpolizeiliche Erkenntnisse“ vor, unter anderem wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Mitglieder der „Legion Bremen“ hätten sich unter anderem an den rechtspopulistischen Protesten anlässlich des Todes eines 21-Jährigen in Weyhe im Frühjahr 2013 beteiligt.

Die Verbindung von Neonazis und Rocker-Gangs wird bundesweit von den Sicherheitsbehörden beobachtet, ob ihres Gefährdungspotenzials und möglichen beiderseitigen Vorteilen.

522 Personen bilden laut eines internen Lageberichts bundesweit Schnittstellen zwischen Neonazi und Rockermilieu.

Zu den Rockern kämen die Neonazis aus Organisationen wie der NPD, dem "Blood&Honour"-Netzwerk oder von der "Weisse Wölfe Terrorcrew".

Andererseits orientieren sich Neonazis teilweise in ihrer Organisationen an den Rockerstrukturen, etwa die "Brigade 8" oder die "Hammerskins".

Auch eine Nähe zu den Hells Angels wird aus der Antwort deutlich: Einzelne der Legion-Rocker seien Mitglieder des nicht mehr existierenden Red Devils MC „West Side“ gewesen, eines Unterstützerclubs der Hells-Angels. An den Legion-Clubabenden nähmen Mitglieder verschiedener Hells-Angels-Charter teil.

Warnung vor Verharmlosung

Für den Abgeordneten Brunotte wird das Problem mancherorts verharmlost: „Allein, was man an offenen Erkenntnissen hat, zeigt, dass es eine bemerkenswerte Zusammenarbeit zwischen Rockern und Neonazis gibt, die auch die Sicherheitsbehörden beschäftigt.“

Die Schnittmengen der beiden Szenen auch zur organisierten Kriminalität würden deutlich. Gerade das Phänomen der HoGeSa-Demos, bei der es in Köln zu Ausschreitungen kam, zeige: „Die Politik ist gut beraten, sich mit dieser Mischszene zu beschäftigen.“ Brunotte kritisiert, dass sich Hooligans zu lange als „unpolitisch“ geben konnten.

Die Landesregierung bezieht sich in ihrer Antwort auch auf ein „Lagebild“ der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder, das im September aktualisiert wurde. Darin werden zwischen Neonazis und Rockern in ganz Deutschland insgesamt eher „punktuelle Kooperationen, freundschaftliche Verhältnisse von Einzelpersonen und wirtschaftliche Interessen“ ausgemacht, eine „Gefährdungslage“ sei aber nicht erkennbar.

Krasse Fälle in Rostock und Wismar

In Mecklenburg-Vorpommern allerdings, das in dem Lagebericht kaum vorkommt, zeigen sich krasse Beispiele: Unter den Hells-Angels des neu gegründete Charters in Rostock etwa sind drei bekannten Neonazis. Gute Verbindungen in Sachen organisierter Kriminalität bewiesen auch Mitglieder der mittlerweile verbotenen Neonazis-Rockergang „Schwarze Schar“ aus Wismar mit Nazi-Hooligans von der „Standarte Bremen“ (vormals „Standarte 88“).

Während der Ex-Präsident der „Schar“ wegen Drogenhandels zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, steht der Bremer Hooligan Sascha M. unter Verdacht, die Wismarer Nazi-Rocker mit Drogen beliefert zu haben.

Anfang November hatte die taz über Verbindungen von Neonazis-Gruppen und Rockern im Bremer Umland berichtet. Die Rocker der „Legion Bremen“ etwa haben sich im niedersächsischen Brinkum angesiedelt. Bekannteste Figur der „Legion Bremen“ ist dabei Stefan Ahrlich, ein laut Weser Kurier „stadtbekannter Zuhälter und Türsteher“ und Paradebeispiel für die Szenen-Mischung.

Ahrlich pflegte gute Kontakte zu den Hells-Angels, zählt seit Jahren zu den Hooligans der „Standarte Bremen“ und hat enge Verbindungen zu deren mutmaßlichen Anführer Hannes Ostendorf, der mit seiner Rechtsrock-Band „Kategorie C“ den Soundtrack für die HoGeSa-Demos liefert.

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