Abkopplung des Franken vom Euro: Chance zum Lohndumping

Die Abkopplung des Franken vom Euro freut die Schweizer Verbraucher: Einkaufen in Deutschland wird billig und im Inland gibt's Rabatte.

Ran an den Speck! Viele Schweizer nutzten die Gelegenheit zum billigen Einkaufen in Deutschland. Bild: dpa

GENF taz | Seit Montag bieten in vielen Schweizer Einzelhandelsgeschäften Schilder „währungsbedingte“ Rabatte von 15, 20, 25 oder gar 30 Prozent an. Auch die landesweiten Lebensmittelketten Migros, Coop und Denner haben mit Wochenbeginn die Preise für viele ihrer aus der Eurozone importierten Produkte bereits deutlich gesenkt. Die vor allem in der Deutschschweiz präsenten Discounter Aldi und Lidl wollen im Laufe der nächsten Tage nachziehen.

Der Einzelhandel reagiert damit auf die Freigabe des drei Jahre lang fixen Mindestkurses des Schweizer Frankens von 1,20 zu 1 Euro, die die Schweizer Nationalbank am vergangenen Donnerstag völlig überraschend verkündet hatte.

Seitdem hat der auch zuvor schon starke Einkaufstourismus der Eidgenossen im benachbarten Deutschland, Frankreich und Italien noch einmal erheblich zugenommen. Viele Geschäfte in Konstanz, Weil am Rhein, Ferney-Voltaire oder Como verzeichneten in den ersten drei verkaufsoffenen Tagen nach der Kursfreigabe Umsatzsteigerungen von 20 Prozent und mehr.

So billig war der Euro nie

Besonders viele billige Euros in der Tasche hatten die Eidgenossen, die gleich nach der Verkündung der Freigabe die Banken und Wechselstuben gestürmt hatten, in denen 1 Euro kurzzeitig weniger als 85 Rappen kostete. Einige der Banken in Basel und Genf registrierten die längsten Warteschlangen seit der Weltwirtschaftskrise von 1929.

Inzwischen hat sich der Kurs auf 1,03 Franken für 1 Euro eingependelt. Knapp oberhalb der Parität von 1:1 werde er mittelfristig auch bleiben, sagen Experten voraus. Für die Schweizer Tourismusindustrie ist das noch immer zu viel. Zahlreiche Hotels in den Wintersportorten klagen bereits über Stornierungen von Gästen aus Deutschland und anderen Euroländern. Für den Sommer erwartet die Branche ein ganz schlechtes Geschäft.

Umgekehrt wird für Schweizer Touristen im Euroland die Anreise mit der Bahn preiswerter. Die Schweizer Bundesbahnen (SBB) senken ihre Billetpreise für den internationalen Verkehr ab 1. Februar. Normalerweise gleichen die SBB die Kurse für Bahnreisen ins Ausland nur alle drei Monate an.

Die ersten rechnen den Mindestlohn runter

Widersprüchlich sind die Erwartungen, welche Auswirkung die Freigabe des Frankenkurses für die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte aus dem Euroraum haben wird. Einige Politiker erwarten einen Rückgang und spekulieren darauf, dass sich auf diese Weise der schwere Konflikt mit der EU über die Umsetzung der im Februar 2014 beschlossenen „Volksinitiative zur Begrenzung der Masseneinwanderung“ von selbst löst. Die Gewerkschaften befürchten hingegen eine Zunahme des Lohndumpings in grenznahen Schweizer Betrieben.

Dafür gibt es bereits erste Beispiele. Die St. Galler Modefirma Akris, die in Mendrisio im Kanton Tessin 150 GrenzgängerInnen aus Italien beschäftigt, will diesen künftig nur noch so viel Lohn in Euro zahlen, wie sie vor der Aufhebung des Mindestkurses verdienten – in Schweizer Franken zum aktuellen Kurs umgerechnet also rund ein Fünftel weniger.

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