Krieg gegen FDLR im Kongo: Hutu gehen nach Hause

In Ostkongos Wäldern läuft der Krieg gegen die ruandische Miliz FDLR an. Die UNO sammelt dort die Hutu-Flüchtlinge zur Rückkehr nach Ruanda.

Familienangehörige von FDLR-Kämpfern sammeln sich unter UN-Aufsicht in Kanyabayonga, Nord-Kivu. Bild: Simone Schlindwein

GOMA taz | Godanze Nyasafari streicht sich die krausen Haare zurecht und guckt in die Kamera. Der Mitarbeiter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR drückt auf den Auslöser. Godanzes Foto und Name werden in einer Datenbank gespeichert. Sie ist Ruanderin, sie sitzt in einem Transitlager in Ostkongos Provinzhauptstadt Goma, ihr neunmonatiges Baby im Arm.

Sie wirkt erschöpft und nervös. Nach 20 Jahren als Flüchtling im Kongo geht sie in ihre Heimat Ruanda zurück.

Nyasafari ist die Frau eines Kämpfers der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die seit 20 Jahren von Kongo aus gegen das Regime in Ruanda kämpft. Die 31-Jährige lernte ihren Mann in einem Flüchtlingslager im Kongo kennen, jahrelang begleitete sie ihn durch den Dschungel, wo immer er stationiert war.

„Jetzt hat er mir gesagt, ich soll nach Ruanda zurückkehren, denn der Krieg wird bald beginnen“, sagt sie. „Wir haben große Angst vor den Bomben.“

Ihr Mann sei den Befehlen seiner Kommandeure gefolgt und habe den Rückzug tiefer in den Wald angetreten. Sie selbst ist mit Baby und 5-jährigem Sohn tagelang durch den Busch geirrt, bis sie in der Kleinstadt Kiwanja, 80 Kilometer nördlich von Goma, eine UN-Station fand. Von dort aus wurde sie vom UNHCR nach Goma gebracht.

Seit zwanzig Jahren in Kongos Wäldern

Die Hutu-Kämpfer der ruandischen Miliz FDLR leben in Kongos Wäldern zusammen mit ihren Frauen und Kindern, alles ruandische Hutu-Flüchtlinge. Millionen von Hutu waren nach dem Völkermord an den Tutsi in Ruanda 1994 in den Kongo geflohen – aus Angst vor der Rache der Tutsi-Rebellen unter dem heutigen Präsidenten Paul Kagame, die das Land erobert hatten, um den Genozid zu stoppen.

Wie viele Hutu-Flüchtlinge aus Ruanda heute noch im Kongo leben, ist umstritten. Das UNHCR hat gemeinsam mit Kongos staatlichem Flüchtlingskomitee jüngst einen Zensus der Haushalte durchgeführt: rund 200.000 ruandische Flüchtlinge wurden landesweit gemeldet, so das UNHCR – viel mehr als bislang vermutet. In diesem Jahr sollen sie registriert werden, mit Fingerabdrücken.

Die FDLR spielt sich als Schutzmacht all dieser Flüchtlinge auf. Sie hat in Kongos Dschungel einen Quasistaat im Exil errichtet, mit Armee und einer zivilen Regierung. Diese betrachtet die Flüchtlinge als ihre „Bürger“, die es zu schützen gilt, und erhebt den Anspruch, mit Ruandas Regierung zu verhandeln, unter anderem über die Bedingungen der Rückführung. Ein Anspruch, den Ruanda und die UNO ablehnen.

200.000 oder 20.000 Flüchtlinge?

Laut FDLR-internen Statistiken aus dem Jahr 2012, die der taz vorliegen, verwaltete die FDLR damals nicht 200.000, sondern lediglich 12.500 Zivilisten in Nord-Kivu und rund 6.000 in Süd-Kivu. Viele wurden seitdem repatriiert, also sind es heute noch weniger, und es sind vor allem die Familien der Kämpfer.

Auch dies ist ein Dilemma bei den geplanten Militärschlägen gegen die FDLR, deren Beginn Kongos Armeeführung vergangenen Donnerstag offiziell verkündete. Je mehr Zivilisten sich bei den FDLR-Kämpfern aufhalten, desto höher das Risiko, dass es zivile Opfer gibt.

Die Militärschläge sollen mit Unterstützung der UN-Blauhelmtruppen stattfinden. Die UNO soll sich vor allem um die Zivilisten kümmern.

Im UNHCR-Hauptquartier in Goma herrscht emsiges Treiben. 18 Auffangstationen sollen in den FDLR-Gebieten errichtet werden, um die Frauen und Kinder abzuholen. Radiobotschaften sollen den Weg zu den UNHCR-Sammelpunkten weisen, erklärt Boniface Kinyanjui, beim UNHCR für Schutz von Zivilisten zuständig. „Wir können in wenigen Tagen rund 20.000 versorgen und über die Grenze nach Ruanda bringen“, sagt er.

Das Risiko, gibt er zu: dass sich mit den Flüchtlingen auch FDLR-Kämpfer in Zivil nach Ruanda hineinschmuggeln. Deswegen werde man die Rückkehrer fotografieren und ihre Fingerabdrücke nehmen.

Sein Team hat sich mit FDLR-Flüchtlingsvertreter Angelo Habumuremyi getroffen, um zu besprechen, wie man die Zivilisten erreichen könne. Dieser hat Dörfer im Dschungel genannt, wo die FDLR ihre Kinder und Frauen untergebracht hat.

"Unsere Lage ist katastrophal"

Als die taz Habumuremyi anruft, erzählt er, er würde selbst gerade seine Frau und Kinder bei Kongolesen einquartieren, damit sie sicher sind. „Unsere Lage ist katastrophal“, sagt er. Dann bricht die Verbindung ab.

Godanze Nyasafari wird nun nach über 20 Jahren im Busch ihr Heimatdorf wiedersehen, ihre Mutter und Geschwister. „Ich habe gehört, das Leben sei dort besser und ich kann meine Kinder in die Schule schicken“, sagt sie und steigt auf den Lastwagen, der sie nach Ruanda bringt. Dann lächelt sie. Das erste Mal.

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