Mehr Rechte für Hausangestellte

BRASILIEN Ein neues Gesetz gleicht den Status von Haushaltshilfen an andere Berufsgruppen an. Das betrifft sieben Millionen - doch nur solche mit einem Arbeitsvertrag. Aber auch die anderen werden indirekt profitieren

Das Gesetz beendet die Tradition, Angestellte als Privatsache zu behandeln

AUS RIO DE JANEIRO CARSTEN JANKE

Wenn sie abends zusammen auf dem Sofa sitzen, dann ist Telenovela-Zeit. Alle essen Popcorn, schimpfen über untreue Liebhaber oder verwöhnte Töchter. Wird in der Fernsehserie eine Braut vor dem Altar sitzen gelassen, werden die Taschentücher rausgeholt. Nur Angélica muss schmunzeln, während die Familie schluchzt. Sie ist die Hausangestellte, hat mit 14 das erste Mal geheiratet und nie Glück gehabt. Mit der Braut hat sie kein Mitleid.

Angélica ist eine empregada doméstica, eine Hausangestellte, in Brasilien mit sieben Millionen Beschäftigten ein weit verbreiteter Beruf. Sie stellen acht Prozent aller Arbeitsverhältnisse. Nun wurde am 26. März eine Verfassungsänderung beschlossen, die den Hausangestellten die gleichen Rechte zugesteht wie anderen Berufsgruppen: eine wöchentliche Arbeitszeit von maximal 44 Stunden und höchsten acht Stunden am Tag, bezahlte Überstunden und einen besseren Kündigungsschutz. In der Debatte im Senat wurde das Gesetz mit dem zur Abschaffung der Sklaverei 1888 verglichen. Am Dienstagabend trat das Gesetz in Kraft.

Angélica hat krauses schwarzes Haar und dunkelbraune Haut. Sie ist bei Familie Souza seit über zehn Jahren angestellt. In deren Vierzimmerwohnung macht sie den kompletten Haushalt. Angélica muss um vier Uhr morgens aufstehen, denn sie wohnt am anderen Ende von Rio. Normalerweise ist sie gegen acht Uhr abends wieder zu Hause. Nur wenn sie den dichten Feierabendverkehr fürchtet, schläft sie in der Kammer und verbringt den Abend mit der Familie.

Eine doméstica zu sein, hat in Brasilien Tradition. Es ist ein Arbeitsverhältnis, das schon zu Kolonialzeiten bestand, als afrobrasilianische Hausmädchen in den Herrenhäusern der weißen, meist portugiesischstämmigen Bevölkerung putzten oder die Kinder großzogen.

Nachdem sie die Waschmaschine angestellt hat, kocht Angélica Mahlzeiten vor und friert sie für die nächsten Tage ein, macht die Betten und poliert auf den Knien den Wohnzimmerboden. Rassismus können die meisten Brasilianer darin nicht erkennen. Zwar haben die Souzas ein inniges Verhältnis zu Angélica, aber fair entlohnt wird sie nicht: „Mein Arbeitstag hat 14 Stunden (einschließlich Fahrtzeit) und ich verdiene etwa anderthalb Mindestlöhne.“ Am Ende des Monats bleiben ihr umgerechnet etwa 310 Euro. Aber Angélica will sich nicht beschweren: „Mit meinen Arbeitgebern habe ich großes Glück. Früher hatte ich Arbeitgeber, die mochten es, uns zu erniedrigen. Da durfte man im Bad nur die billige Seife verwenden oder aus bestimmten Gläsern nicht trinken.“

Die Verfassungsänderung, mit der Brasilien die Gesetzgebung an die Forderungen der Internationalen Arbeitsorganisation anpasst, wird daran nichts ändern. Aber sie beendet die Tradition, domésticas als Privatsache zu behandeln. Für die Arbeitgeber bedeutet das eine Kostensteigerung von etwa zehn Prozent. Ihre Organisationen warnen, dass bis zu 800.000 domésticas ihren Job verlieren könnten.

Dabei nutzen viele Arbeitgeber eine Gesetzeslücke: Etwa ein Drittel der Hausangestellten arbeitet als Selbstständige. Für sie gelten die neuen Regeln nicht. Auch Angélica arbeitet bei den Souzas ohne Arbeitsvertrag und höchstens an zwei Tagen in der Woche. Dennoch profitieren auch die Selbstständigen indirekt von der Neuregelung, denn die Nachfrage an Hausangestellten ist seit Jahren größer als das Angebot. „Es gibt heutzutage nicht mehr genug Mädchen, die als Hausangestellte arbeiten“, erläutert Angélica. „Weil der Bedarf aber weiter steigt, müssen die Arbeitgeber mehr bieten. Sie werden sich schon an die neuen Vorgaben gewöhnen.“