Wahlkampf-Video von Hillary Clinton: Perfekt unperfekt

Hillary Clinton will US-Präsidentin werden. Eine Analyse ihres Videos zum Kampagnenstart von einem, der weiß, wie man Kanzler macht.

Sie ist nah am wirklichen Leben: Hillary Clinton in ihrem Kampagnen-Video. Tabelle: youtu.be/0uY7gLZDmn4

Um es vorwegzusagen: Ich mag das Video. Ein guter Start in die Kandidatur. Mit Menschen, die etwas vorhaben und darauf stolz sind. Geradezu perfekt unperfekt aufgenommen. Und alles ordentlich politisch korrekt durchquotiert. Ein Video mit drei Botschaften: Ich bin nah am wirklichen Leben. Ich setze auf die, die etwas wollen. Und: Ich will Präsidentin werden.

Die SPD hat sich im Wahlkampf 2013 an einem ähnlichen Format versucht, nur mit einer anderen und falschen Haltung: Die damalige Wahlkampfchefin Andrea Nahles hat lauter Menschen hinter Pulte gestellt, die etwas ungelenk und schlecht gescript das Land schlechtreden mussten. Authentisch sollte das wirken. Gebracht hat es überwiegend Kopfschütteln und ein Ergebnis von 25 Prozent.

Diesen Fehler macht Hillary Clinton nicht. Sie kann Kampagne und weiß, dass nur die politische Mitte eine sichere Mehrheit schafft, mit der sich ein Land regieren lässt. Was noch fehlt, ist ihr politisches Leitmotiv, das diese große Mitte eint. Der Film folgt in seiner Komposition noch der alten Obama-Strategie, sämtliche Minderheiten einzusammeln, um daraus eine Mehrheit zu basteln. Für Hillary Clinton wird es darauf ankommen, die Minderheiten nicht zu verlieren und zugleich den Mainstream zu begeistern. Die ganzen normalen Leute eben. Dazu braucht es deutlich mehr als diesen ersten Film.

In Deutschland schauen viele gern in die USA, weil dort angeblich die Trends für politisches Campaigning entstehen, die auch uns hierzulande helfen. Vor allem die Sozialdemokraten inszenieren immer wieder politisch-technische Erweckungsreisen über den Atlantik, um dann so wilde Dinge wie einen „Haustürwahlkampf“ als Allheilmittel zu kopieren. Der modernste Wahlkampf aller Zeiten sollte es 2013 bei der SPD werden. Am Ende saß Herr Steinbrück auf dem Sofa und trank peinlich berührt Eierlikör.

In Wahrheit können wir von den USA herzlich wenig lernen. Das Wahlsystem ist völlig anders. Die Medienlandschaft ist völlig anders. Die Gesellschaftsstruktur ist völlig anders. Die Finanzmittel sind völlig anders. Das Parteiensystem ist es übrigens auch, ebenso wie es die Rechte und Pflichten des zu wählenden Amtsinhabers sind. Warum schauen wir also immer so genau hin?

Gedöns ist Umwelt, ist, was wir essen, wie wir reden, uns kleiden. Wie wir wohnen, lernen, lieben, arbeiten. Kinder sind Gedöns, Homos, Ausländer, Alte. Tiere sowieso. Alles also jenseits der „harten Themen“. Die taz macht drei Wochen Gedöns, jeden Tag vier Seiten. Am Kiosk, eKiosk oder direkt im Probe-Abo. Und der Höhepunkt folgt dann am 25. April: der große Gedöns-Kongress in Berlin, das taz.lab 2015.

Weil die Amerikaner mit politischen Kampagnen Gefühle auslösen können, und das sogar bei uns. Weil sie ihre Geschichten persönlich erzählen statt nur das Programm abzubilden. Weil sie immer subtiles Pathos in alles hineinlegen. Und das gilt für beide Lager.

ist geschäftsführender Gesellschafter der Kommunikationsagentur Blumberry. Mit seiner Werbeagentur gilt er als „Kanzlermacher“: Er war der Stratege hinter den Wahlkämpfen von Gerhard Schröder und Angela Merkel.

Wer erinnert sich noch an die großartigen Spots von Ronald Reagan? Die Republikaner haben mit Hoffnung und Pathos immer große Wahlerfolge erzielt. Bill Clinton und Barack Obama haben mit ihren Reden an diese Tradition angeknüpft. Und Hillary Clinton wird es auch tun. Mit Videos, einem Motto und allerlei symbolhaften Auftritten. Und hoffentlich mit einem neuen Logo, denn das am Sonntag präsentierte H mit Pfeil passt ästhetisch eher zu einer Schurkenmiliz.

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