Kaufen gegen die Krise

HANDLUNGSBEDARF Wolfsburg kann mit Stuttgart nicht mithalten. Der neue Klubgewaltige Dieter Hoeneß überlegt, wie sich eine Trainerentlassung vermitteln ließe, und kündigt Geschäfte auf dem Spielermarkt an

„Wir können keinen Brasilianer brauchen, der lange braucht, bis er sich eingewöhnt“

DIETER HOENESS, CHEFEINKÄUFER

AUS STUTTGART OLIVER TRUST

Was auf der englischsprachigen Version der Homepage des VfL Wolfsburg über die Stimmung beim Meister steht, ist so umfassend richtig wie kurz: „No joy in Stuttgart“. Das Grau des Himmels über den Trainingsplätzen in Wolfsburg passte zur Stimmung. Die Verlierer spulten ihr Auslaufprogramm ab und verabschiedeten sich bis Dienstagnachmittag in die Freizeit. Die Aufarbeitung der 1:3-Niederlage beim VfB Stuttgart schien man im Stillen hinter sich bringen zu wollen. Als sich der Spielerparkplatz leerte, war jedem bewusst, es würde bis Sonntag eine schwierige Woche mit weiteren Diskussionen um Cheftrainer Armin Veh werden. Am Sonntag spielt der deutsche Meister gegen den 1. FC Köln. „Am Sonntag“, meinte der neue Geschäftsführer Dieter Hoeneß, „sollte möglichst ein Sieg folgen.“

Das klang nicht nur wie eine Drohung. „Ich habe mir meine Rückkehr anders vorgestellt“, hatte Trainer Veh in Stuttgart gesagt. Was für den ehemaligen Stuttgarter Meistertrainer Veh galt, der 2007 mit dem VfB den Titel holte, galt mindestens genauso für den Schwaben Hoeneß, das „neue Gesicht des Klubs“ (Hoeneß). Der 57-Jährige hatte vor Tagen eingestanden, „dass ich es wohl sein werde, der so eine Entscheidung nach außen vertreten würde“. Gemeint war eine Trainerentlassung. Mit der ist zu rechnen, sobald man beim VfL-Gesellschafter VW die Gefahr sieht, dass Veh und Co. die internationalen Plätze verpassen. „Ein Sieg und wir sind wieder dran“, sagte Hoeneß. Derzeit sind es sechs Punkte Rückstand auf Rang fünf.

Der neue starke Mann fehlte gestern beim Training am Mittellandkanal. In Stuttgart hatte er nur kurz vor einer Fernsehkamera gesprochen und sich sonst zurückgehalten. Veh dagegen schüttelte Hände und umarmte alte Weggefährten, bevor er und Hoeneß auf der VfL-Bank Platz nahmen und sahen, in welch bedenklicher Verfassung sich die Mannschaft befindet. Ein Neustart jedenfalls sieht anders aus. „Das war über weite Strecken nicht positiv“, sagte Hoeneß und machte kein Geheimnis daraus, was er die kommenden Tage tun wird. „Priorität hat der Transfermarkt“, sagt er. Hoeneß wird einkaufen.

In Stuttgart schlug auch die Umstellung von Raum auf Manndeckung fehl. Der VfL präsentierte sich ohne jeden Mut und ohne Zuversicht. „Dilettantisch“ nannte Veh die Abwehrpatzer. Er kennt das. Ähnliches hat er in fast allen 17 Spielen davor erlebt.

„Die Neuen müssen schnell helfen“, hatte Hoeneß gesagt. „Wir können keinen Brasilianer brauchen, der erst lange braucht, bis er sich eingewöhnt“. Der Klub, so heißt es, sind bereit, tief in die Tasche zu greifen, um sich weitere Reputation zu sichern. Rafinha und Benedikt Höwedes von Schalke sollen 20 Millionen kosten. „Wir dürfen in den nächsten Wochen nicht den Anschluss nach oben verlieren“, sagte Mittefeldspieler Christian Gentner.

Mit verschränkten Armen saß Hoeneß in der Arena vor 37.000 Zuschauern zwei Sitze neben Veh. Vor ihm liefen die Stuttgarter wie Spaziergänger durchs Mittelfeld an den Wolfsburgern vorbei, die zu spät „aufwachten“ (Gentner) und trotzdem fast zum Ausgleich gekommen wären. Edin Dzeko traf den Pfosten (84.), und Grafite schoss den Abpraller am Tor vorbei. Das 1:2-Anschlusstor Dzekos (65.) half so nichts. Roberto Hilbert (29.) und der starke Pawel Pogrebnajk (57.) hatten den VfB 2:0 in Führung, wobei Wolfsburg Glück hatte. Der VfB vergab viele Chancen.

Trotzdem reichte es zum vierten Sieg unter Trainer Christian Gross. Vier Siege wären für den Neu-Autostädter Hoeneß ein Traum. Der sah aus gutem Grund bedient aus. Beim 0:1 setzten sich vier rote Stuttgarter gegen sechs weiße Wolfsburger durch. Bei Timo Gebharts 3:1 (87.) schafften drei Rote das Gleiche. In Wolfsburg muss man Antworten finden – bis Sonntag.