Fantasieproblem

WAS SAGT UNS DAS? Dänemark diskutiert das Burkaverbot. Aber es fehlen die Burkaträgerinnen

Man muss suchen, will man in Dänemark eine mit Burka bekleidete Frau finden. Lange suchen. Kürzlich machte tatsächlich eine Vollverschleierte die Runde in den Medien. Von der sich dann aber herausstellte, dass es eine Journalistin war, die hautnah die Reaktion der Bevölkerung auf eine burkatragende Frau erkunden wollte. Und die ihrer Kollegen, die sich sofort mit Mikrofon und Kameras auf sie stürzten. Doch das Fehlen der Burka im Straßenbild hindert nicht daran, dass es seit einem halben Jahr eine heiße Burkadebatte gibt. Die regierenden Konservativen und die fremdenfeindliche Dänische Volkspartei wollen aus dem Stoff partout ein Problem machen. Umfragen nämlich zeigen, dass 56 Prozent der Dänen für ein Burkaverbot sind. Es lassen sich also Wähler damit gewinnen.

Auf die Argumente des lautesten Verbotsbefürworters, des in Syrien geborenen Politikers Naser Khader, nach denen ein solches Kleidungsstück für eine „totalitäre islamistische Ideologie, die man dem Nazismus gleichstellen muss“ steht, sprangen zunächst auch die Sozialdemokraten an. Bevor Verfassungsjuristen klarmachten, dass ein Verbot grundgesetzwidrig und mit der Europäischen Menschenrechtskonvention wohl unvereinbar wäre.

Das sind zwar Gesichtspunkte, die in der dänischen Innenpolitik – Stichwort Ausländerrecht – bekanntermaßen nicht unbedingt zählen. Aber Justizminister Brian Mikkelsen erklärte sich immerhin bereit, zuerst einmal einen Untersuchungsbericht über den Umfang des Burkatragens in Dänemark in Auftrag zu geben. Auf dieser Basis wolle man dann weiterüberlegen.

Das war im September letzten Jahres. Der bei Soziologen der Universität Kopenhagen in Auftrag gegebene 54-seitige Rapport ist seit Wochen fertig. Wird im Ministerium aber bislang unter Verschluss gehalten. Warum das so ist, wusste am Samstag die linke Tageszeitung Information. Den Wissenschaftlern sei es nämlich nicht gelungen, unter der weiblichen Hälfte von Dänemarks 5,5 Millionen Einwohnern eine einzige regelmäßige Burkaträgerin zu finden. Zwischen 100 und 200 Frauen trügen allerdings den Niqab, den Gesichtsschleier, der die Augenpartie frei lässt – die Hälfte davon übrigens zum Islam konvertierte ethnische Däninnen, die damit die Stärke ihres neuen Glaubens unterstreichen möchten. Burka jedoch: Fehlanzeige.

Eine „Farce“ tobt nun Pia Kjærsgaard, die Vorsitzende der Dänischen Volkspartei. Sie meint damit nicht etwa die eigene Verbotsforderung, sondern die ihrer Meinung nach fehlerhafte Studie. Auch Naser Khader lässt sich nicht beirren: „Die Zahlen sind gleichgültig. Es geht ums Prinzip.“ Nun hat es natürlich durchaus seine Logik, einem Fantasieproblem mit einem Verbot begegnen zu wollen. Dann wird sich die Burka womöglich schon aus Protest ausbreiten. Dänemark könnte doch noch sein „Burkaproblem“ bekommen und Khader, Kjærsgaard & Co ihre WählerInnenstimmen.

REINHARD WOLFF