SCHWARZE MESSE
: Der Kunstgrunzer

Nur ein züchtiger Totenschädel als Deko

Die Wände der Volksbühne sind mit schwarzer Folie verhängt. Bestuhlung fehlt. Für den Beginn einer schwarzen Musikmesse zwitschert der Raum recht ausgelassen, Langhaarige lachen vorfreudig, der „Antichrist“-Shirt-Mann ist im angeregten Gespräch, die präzis laute Vorband bekommt muntere Rückmeldung. Dann Mayhem. Norwegische Black-Metal-Band mit bewegter Vergangenheit. Anfang der Neunziger erschoss sich erst der Sänger, dann erstach der Bassist den Gitarristen, nachdem er ein paar Kirchen abgefackelt hatte, zeitgleich erschien das Quintessenz-Album, „De Mysteriis Dom Satanas“. Seitdem: Kult und Konsolidierung der Überlebenden.

Auf der Bühne: leider keine Wildschweinköpfe als Deko. Nur ein züchtiger Totenschädel und zwei mit dem klassischen Zeichenhaushalt überfrachtete Transparente: die gefiederte Schlange, der Bocksbeinige, Pentagramme, auf den Kopf gestellte Kreuze. Die neu verpflichteten Gitarristen machen ihren Job, Urgestein Necrobutcher kuckt gelangweilt, Schlagzeuger Hellhammer will die Weltmeisterschaft im Double-Bass-Treten gewinnen. Auftritt Attila Csihar, seines Zeichens vielbeschäftigter Kunstgrunzer. Als Mayhem-Vokalist trägt er heute Abend ein Kardinalsornat, ein riesiges Falschrum-Kreuz um den Hals, in der Hand eine Sense, eine frisch glänzend mit Kunstblut beschmierte Zombiemaske auf dem Gesicht. Großes Poptheater.

Für eine Viertelstunde. Dann ist die Luft raus. Csihar macht zwar toll diabolische Sachen mit seiner Stimme, aber dieses ewige Sense-Pendeln, dieser maue Sound! Nicht mal der harte Fan-Kern rafft sich zum Teufelszeichen auf. Die Zugabe, die niemand gefordert hat, legt zwar einen Schritt zu, trotzdem: Sonntäglich gähnend schleicht man sich weg von diesem traurigen Re-enactment.

KIRSTEN RIESSELMANN