Ja, ich glaub’ an gestern

Seit über zwanzig Jahren widmet sich Klaus Beyer dem Beatles-Nachbau. Sieben Alben hat er bisher neu eingespielt, nun ist „Helft!“ herausgekommen, seine wunderbar schrammelig-psychedelische Version von „Help!“. Eine neue DVD präsentiert außerdem einen Querschnitt durch Beyers restliches Werk

Beyer übersetzte die Beatles auch, damit seine Mutter verstand, was sie da sangen

VON DETLEF KUHLBRODT

Lange hatte ich nichts mehr von Klaus Beyer gehört. Wir kennen uns schon zehn Jahre, hatten miteinander geplaudert, Kaffee und Kuchen in seiner Kreuzberger Wohnung zu uns genommen und seine Konzerte, die meist mit „Hauptmann Pfeffer“ begannen und dem „Grünblauen Unterwasserboot“ endeten, waren immer toll. Meist spielte er solo, manchmal wurde er auch von Stereo Total, Mutter, den Sternen oder Götz Alsmann begleitet.

Irgendwie hatte ich den fünften Beatle aber aus den Augen verloren. Das letzte Mal hatten wir uns vor vier Jahren getroffen, als er anlässlich einer Ausstellung seiner Bilder und Objekte (wie sein geistesverwandter Künstlerkollege Daniel Johnston ist er ein Multitalent) gesungen hatte. Es hatte sehr gut in den Dezember gepasst, den ich oft lieber November nenne, um ihm seinen eingebildeten Schrecken zu nehmen, ihn quasi auszubremsen. Ich tu einfach so, bis zum 20., als wenn November wäre, feier dann Heiligabend und lande sicher im neuen Jahr.

Dann stand neulich im Spiegel, dass Beyer zusammen mit Patti Smith und Christoph Schlingensief (in dessen Umfeld der Do-it-yourself-Künstler in den letzten Jahren häufig auftrat) in Namibia war, um einen komischen Film zu machen. Und plötzlich rief Frank Behnke an, Beyers Manager, und erzählte, dass Klaus Beyer demnächst am Burgtheater in Wien wäre und kurz darauf lagen zwei neue Klaus-Beyer-Veröffentlichungen im Briefkasten: die CD „Helft!“ und eine DVD mit dem Dokumentarfilm „Das seltsame Universum des Klaus Beyer“ und vielen kleinen Musikfilmen und Sketchen, die Beyer in den letzten 23 Jahren größtenteils allein in seinem Zimmer gedreht hat.

Alles ist wieder sehr seltsam und schön und sollte unbedingt zu Weihnachten verschenkt werden. Die DVD bietet einen guten Querschnitt durch das Werk des ehemaligen Kerzendrehers, der sich Anfang der Siebzigerjahre in die Beatles verliebte, nachdem er sie im Radio gehört hatte. Weil er die Texte nicht verstand, hatte er sich ein Englisch-Wörterbuch gekauft, um die Lieder in seine Sprache zu übersetzen. Während die revoltierenden Altersgenossen des nunmehr 53-Jährigen auch deshalb so gerne englischsprachige Popmusik hörten, weil die Eltern das nicht verstanden, übersetzte Klaus Beyer die Lieder von John, Paul, George und Ringo vor allem auch, damit seine Mutter verstehen konnte, was die da sangen. Die Beyer’schen Übersetzungen sind also gleichzeitig Gesten der Versöhnung. Genau wegen dieser Geste, die sie selber oft nicht leisten wollten oder konnten, wurde Beyer in den Postpunkszenen so sehr geliebt. Und weil er er selbst sein konnte und mit seiner Kunst jeden ermunterte, ebenfalls selbst zu sein.

Später vertonte Beyer seine Versionen der Beatles-Songs. Mit Hilfe zweier Tonbandgeräte überspielte er die Instrumentalpassagen von jedem Stück, vervielfachte sie teilweise, damit die Länge des Stücks wieder hinhaut und sang seine deutschen Nachdichtungen darüber. Die Texte sind sehr eigen, eigentlich Klaus Beyer’sche Variationen zu Themen der Beatles. Die aus kurzen Beatles-Samples zusammengesetzte Musik klingt oft experimentell.

Anfang der Achtzigerjahre begann Beyer dann damit, die Songs der Fab-Four zu verfilmen. Mit Super-8, Einzelbild-Tricks und wunderschönen selbst gebastelten Dekorationen. Am berühmtesten wurde das ungefähr zwei mal ein Meter große Unterseeboot, das er für seinen „Yellow Submarine“-Film bastelte. Außerdem verfilmte er kleine Lieder („Die Glatze“ lief sogar mal auf MTV) und lustige selbst ausgedachte Sketche, die unter anderem von scheiternden Banküberfällen, kleinen Hunden und Kreuzberger Frauen, die lang sind („2 Meter zehn“), handeln. Dies alles und mehr ist auf der schönen DVD drauf, die ich mir zuerst anschaute, weil ich mir von der „Helft!“-CD nicht so viel versprach. Umso begeisterter war ich, als ich sie dann hörte. „Mit den Beatles“, „Lass es sein“, „Gummiseele“, „Ein harter Tag“, „Das gelbe Unterwasserboot“ und die „Rätselhaft magische Tour“ waren super. „Helft!“ ist noch besser.

Das Titelstück gibt es zweimal und ist das vielleicht schönste Beatlescover, das Klaus je eingespielt hat. Kristallklar, LoFi auf Hifi sozusagen klingt seine Stimme in der Studioversion. Bei der Live-Version beeindruckt vor allem, wie er mit zwei Stimmen singt, also die dramatische Anlage des Stücks noch einmal hervorhebt, sich also quasi teilt – in den, der Hilfe braucht und den, dem ’s sonst ganz gut geht. „Naturgetreu“ („Act naturally“) klingt zunächst ein wenig schrammelpsychedelisch wie Daniel Johnston: „… ich filme gern, weil ich mich drüber freu / was ich film und spiele sind Geschichten / Und alles, was ich tu ist naturgetreu“.

„Du machst mich hitzig Miss Lizzy“ („You make me dizzy Miss Lizzy“) betont die quasi unschuldige Rock-’n’-Roll-Seite von Beyer & den Beatles, „Ja, ich glaub an gestern“ klingt weit melancholischer als „I believe in yesterday“, und nach der Abmoderation – „Schönen Abend noch und alles Gute im Leben“ – kommt einem dasselbe gleich wieder besser vor.

„Klaus Beyer’s – die DVD“, 16 Euro. „Helft!“, 9 Euro. Bei Amsel-Records & Films. Zu beziehen über Klaus-Beyer.de